Berechnung der „Equity Bridge“ bei der Multiplikatoren-Methode

In diesem Beitrag wird ausführlich erläutert, wie sich die sogenannte "Equity Bridge" berechnet. Hierbei handelt es sich um eine Methode der Kaufpreisfindung im Rahmen von Unternehmenstransaktionen.

Bei Unternehmenskäufen und -verkäufen wird als gängige Methode der Kommunikation des Kaufpreises zwischen Käufer und Verkäufer die Multiplikatoren-Methode (auch „Comparable Company Analysis“ genannt) genutzt. Bei dieser Methode werden mit Hilfe von normalisierten Kennzahlen der Zielunternehmens (meist EBIT oder EBITDA) und unter Anwendung von branchentypischen Multiplikatoren ein Gesamtunternehmenswert (der sog. „Enterprise Value“) ermittelt.

Der so ermittelte Enterprise Value kann sich jedoch erheblich vom Kaufpreis für die Anteile selbst (dem sog. Equity Value) unterscheiden, je nachdem wie die Finanzierung des Zielunternehmens strukturiert ist.

Die Differenz (die sog. „Equity Bridge“) besteht – vereinfacht gesagt – in dem Abzug von Finanzschulden und in einem Zuschlag von Finanzguthaben und dem Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.

Der Kaufpreis für 100% der Anteile an einem Unternehmen ermittelt sich somit wie folgt:

Enterprise Value (abgeleitet aus einer Bemessungsgrundlage z.B. EBIT multipliziert mit einem Multiple)

+/- Equity Bridge
____________________________________________

Equity Value = Kaufpreis  

Im Folgenden wird eine Systematik beschrieben, wie rechnerisch ein Wert für die sog. „Equity Bridge ermittelt werden kann. Zu betonen ist dabei, dass die im Folgenden vorgeschlagene Vorgehensweise „als typisch – für dem Normalfall geltend“ einzuordnen ist.  Betriebsinterne Faktoren des Zielunternehmens können allerdings eine andere Vorgehensweise erfordern.

Systematik zur Ermittlung der Equity Bridge (typisches Vorgehen)
Vorbereitende Tätigkeiten

Zur Ermittlung der Equity Bridge geht man am besten von einer tief gegliederten HGB oder IFRS Bilanz (zum vereinbarten Bewertungsstichtag) aus.

Zunächst sollte diese Bilanz um nicht bilanzierte Vermögensgegenstände und Schulden ergänzt werden, die aus sog. „Off Balance Sheet“-Finanzierungen kommen, meist ist dies:

  • Factoring (Ergänzung: Forderungen / Factordarlehen)

  • Leasing oder Mietkauf soweit über das „Übliche“ (Kopierer, Autos) hinausgehend (Ergänzung: Anlagevermögen / Darlehen = Barwert der Zahlungen)

Diese so berechnete „pro-forma“-Bilanz (unter Berücksichtigung der Gesamtfinanzierung) sollte man sodann in folgende fünf Spalten unterteilen:

1. Betriebsnotwendiges Anlagevermögen

2. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen

3. Nettoumlaufvermögen

4. „Cash and Debt“ bzw. „Cash-like oder Debt-like Items“

5. Sonstige Abgrenzungsposten

Das zum Stichtag in der Bilanz gezeigte Eigenkapital ergibt sich summarisch aus der Summe der einzelnen Spalten.

1. Betriebsnotwendigen Anlagevermögen 

Zum Betriebsnotwendigen Anlagevermögen (Spalte 1) gehören alle im Anlagevermögen ausgewiesenen Gegenstände, außer es ist eine Veräußerung geplant oder theoretisch möglich, ohne den operativen Betrieb einzuschränken. Die Qualität der Wertansätze (HGB oder IFRS) ist für die Ermittlung der Equity Bridge nicht von Bedeutung.

2. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen

Sofern eine Veräußerung von Vermögenspositionen geplant oder theoretisch möglich ist, ohne den operativen Betrieb einzuschränken, sind diese Güter in der Spalte Nicht betriebsnotwendiges Vermögen (Spalte 2) auszuweisen.

3. Nettoumlaufvermögen

In der Spalte Nettoumlaufvermögen (NWC) (Spalte 3) sind alle Posten zu übernehmen, die für den gewöhnlichen operativen Betrieb notwendig sind bzw. sich aufgrund des gewöhnlichen operativen Betriebs ergeben haben. Die sind u. a.:

  • Vorräte (inkl. geleistete Anzahlungen)

  • Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (inkl. verbundene Unternehmen)

  • Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (inkl. verbundene Unternehmen)

  • Erhaltene Anzahlungen

  • Forderungen an Lieferanten (z.B. Boni)

  • Umsatzsteuerforderungen

  • Verbindlichkeiten aus Lohn und Gehalt

  • Verbindlichkeiten Lohnsteuer und Sozialversicherung

  • Umsatzsteuerverbindlichkeiten

  • Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (die unter Gewissheit zu den oben genannten Positionen gehören würden), z. B.

    • Fehlende Lieferantenrechnungen

    • Provisionen

    • Kundenboni

    • Mitarbeiterprämien

4. Cash and Debt“ bzw. „Cash-like oder Debt-like Items“ (Spalte 4) sind u. a.:
  • Bankguthaben

  • Wertpapiere (sofern nicht zur Absicherung von Avalen verpfändet, dieser Anteil wäre unter Nettoumlaufvermögen einzuordnen)

  • Forderungen an Gesellschafter oder verbunden Unternehmen, soweit nicht aus der operativen Tätigkeit unter Berücksichtigung von „gewöhnlichen“ Zahlungszielen entstanden.

  • Forderungen aus Schadensersatz

  • Forderungen aus Ertragsteuer

  • Forderungen aus Mitarbeiterdarlehen

  • Pensionsrückstellungen

  • Steuerrückstellungen (ohne laufende Umsatzsteuer oder Lohnsteuer)

  • Bankverbindlichkeiten

  • Darlehen, Anleihen

  • Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern oder verbundenen Unternehmen, soweit nicht aus der operativen Tätigkeit unter Berücksichtigung von „gewöhnlichen“ Zahlungszielen“ entstanden.

  • Rückstellung, die „Debt-like“-Charakter haben:

    • Unterlassene Instandhaltung

    • Schadensersatz

    • Prozessrisiken

    • Einzel-Garantiefälle

    • Währungsverluste aus Termingeschäften

  • Alle Schulden, die bei der Berücksichtigung von nicht bilanzierten Vermögensgegenständen und Schulden ermittelt wurden, z. B.

    • Factorverbindlichkeiten

    • Leasingverbindlichkeiten

5. Sonstige Abgrenzungsposten

In die Spalte “Sonstige Abgrenzungsposten“ (Spalte 5) sind die verbleibenden Posten auszuweisen. Dies sind u. a.:

  • RAP

  • Abgrenzungsrückstellungen, die bei stetigem Geschäftsgang monatlich bzw. von Jahr zu Jahr nahezu unverändert bleiben, wie

    • Pauschale Gewährleistungsrückstellung

    • Urlaubsrückstellung

    • Rückstellung Archivierung etc.

Sofern die Summen aller Spalten zusammengenommen das Eigenkapital der Bilanz ergeben, hat man sichergestellt, alle Posten einer Würdigung unterzogen zu haben.

Ermittlung der Equity Bridge

Die Equity Bridge setzt sich normalerweise  aus folgenden vier Posten zusammen:

  • Summe (Nettowert) der Spalte 4: „Cash and Debt“ bzw. „Cash-like oder Debt-like Items“ (einzelne Posten sind beispielsweise oben angeführt)

  • Plus/minus Wertanpassungen der unter 1. enthaltenen  Positionen, sofern die Buchwerte nicht den tatsächlichen Werten entsprechen; dies ist häufig der Fall bei:

    • Wertpapieren

    • Pensionsrückstellungen (der steuerliche Wert entspricht zur Zeit nicht dem Marktwert)

    • Steuerrückstellungen (sofern steuerliche Risiken oder kurzfristige latente Steuern nicht in den Rückstellungen enthalten sind)

    • Hoch verzinsliche Verbindlichkeiten

    • Rückstellung für unterlassene Instandhaltung oder unterlassene Ersatzinvestition (häufig wurde nur der steuerlich zulässige Wert oder überhaupt kein Wert angesetzt)

  • Plus/minus Anpassung des Wertes des Nettoumlaufvermögens (NWC): Häufig ist zum Stichtag das NWC außerordentlich niedrig oder hoch, sodass die in Position 1 enthaltenen (korrespondierenden) Banksalden im Vergleich zum „Normalzustand“ verfälscht sind. Die Differenz zwischen NWC zum Stichtag (Summe der o. g. Spalte 3)  und dem NWC im Normalzustand, z.B. Durchschnitt des Jahres („Target NWC“) ist bei Ermittlung der „Equity Bridge“ zu berücksichtigen.

  • Zuzüglich ist der Netto-Veräußerungserlös der in der Spalte „Nicht betriebsnotwendiges Vermögen“ enthaltenen Positionen zu berücksichtigen. Die Positionen sind mit den Marktwerten abzüglich Veräußerungskosten und auf die Transaktion entfallende Steuern anzusetzen.

Im Ergebnis sollte die Equity Bridge in der Summe einen Wert aufzeigen, mit dem die Finanzsituation des aktuellen Unternehmens erläutert werden kann im Vergleich zu einem theoretisch gleichen Unternehmen, das jedoch genau mit 100% Eigenkapital finanziert ist und deshalb im Jahresdurchschnitt weder Cash noch Debt hat ("Cash and Debt free").