Bloßer Mängelverdacht berechtigt nicht zum Kaufpreiseinbehalt!
Real Estate Praxistipp: OLG Schleswig, Urteil vom 27.04.2018, 1 U 90/15; seit BGH-Beschluss vom 27.01.2021, Az. VII ZR 125/18, rechtskräftig
Beim Kauf vom Bauträger kann der Erwerber die Bezahlung einer fälligen Kaufpreisrate wegen bis dahin aufgetretener Baumängel in angemessenem Verhältnis zum voraussichtlichen Beseitigungsaufwand verweigern. Vermutet der Erwerber das Vorliegen eines Mangels lediglich, begründet sein Verdacht jedoch noch kein Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht.
Der Fall:
Zur Erfüllung eines mit Käufer K abgeschlossenen Bauträgerkaufvertrages errichtet Bauträger B ein Haus. Die allgemeinen Fälligkeitsvoraussetzungen für den Kaufpreis (Eintragung einer Auflassungsvormerkung, Lastenfreistellungserklärung der eingetragenen Grundschuldgläubigerin und Baugenehmigung) liegen vor. Vereinbarungsgemäß stellt B die Kaufpreisraten entsprechend dem erreichten Baufortschritt in Rechnung. K verweigert die Zahlung von drei Raten in Höhe von rund € 342.000. Zur Begründung verweist er auf ein Gutachten, nach welchem nur die Pfahlgründung eines Bauwerks geeignet ist, künftige Setzungsschäden zuverlässig zu vermeiden, nicht aber die hier ausgeführte wesentlich kostengünstigere Sohldecke. Tatsächlich wurde der Baugrund aber überobligatorisch ertüchtigt, entspricht die Sohldecke den anerkannten Regeln der Technik und liegen keinerlei Setzungserscheinungen vor. Wegen Zahlungsverzugs des K tritt B gemäß § 323 BGB vom Bauträgerkaufvertrag zurück. Er begehrt von K Schadensersatz, Verzugszinsen und die Bewilligung der Löschung der für K im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung. Das OLG Schleswig gibt ihm (nach Auffassung des BGH zutreffend) mit folgender Begründung Recht:
Die Mangelfreiheit der bis zum jeweiligen Bautenstand erbrachten Leistungen ist keine Voraussetzung für die Fälligkeit vertraglich vereinbarter Abschlagsforderungen. Liegt ein nicht nur geringfügiger Mangel vor, hat der Käufer aber ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten nebst Druckzuschlag in angemessener Höhe (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - VII ZR 84/09).
Zur Begründung der Mangelhaftigkeit muss der Käufer vortragen und beweisen, dass das Objekt einen Mangel aufweist, der sich derzeit (noch) nicht in einem Schaden zeigt. Der Nachweis eines auf einen solchen Mangel hinweisenden Symptoms (z.B. Risse oder Feuchtigkeitsspuren) ist dafür ausreichend. Für die Annahme eines Baumangels genügt außerdem, dass eine Ungewissheit über die aus dem Mangel resultierenden Risiken für den Gebrauch des Mietobjekts besteht.
In dem entschiedenen Fall waren Anhaltspunkte für das Vorliegen eines nicht nur geringfügigen Mangels nicht ersichtlich. Käufer K hatte einen solchen lediglich vermutet. Seine Weigerung, die fälligen Kaufpreisraten zu zahlen, begründete daher seinen Verzug und als dessen Rechtsfolge das Rücktrittsrecht des B und die von ihm geltend gemachten Rechte und Ansprüche.
PSP-Praxistipps:
Eine unberechtigte Mängelrüge birgt noch weitere Risiken:
Veranlasst sie den Unternehmer zu einer Fehlersuche, führt er damit ein (auch) fremdes Geschäft durch. Er kommt zwar einerseits seiner aus dem Mängelgewährleistungsrecht folgenden Pflicht zur Nachbesserung nach. Er versucht zugleich aber auch den Nachweis zu führen, dass die Mangelursache nicht aus seinem Verantwortungsbereich herrührt. Steht nach seiner Prüfung fest, welcher Umstand zu dem Mangel geführt hat, hat sich der Besteller damit weitere Kosten für die Suche nach dem Fehler und seiner Ursache erspart. Der Unternehmer kann dann gemäß §§ 684, 818 Abs. 2 BGB Wertersatz für seine Aufwendungen verlangen.
Hat der Besteller erkannt oder fahrlässig nicht erkannt, dass ein Mangel der Werkleistung oder Kaufsache nicht vorliegt, sondern dass die Ursache für das Symptom, hinter dem er einen Mangel der Leistung vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt, kann sein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen sogar eine schuldhafte Vertragsverletzung darstellen. Er kann dann verpflichtet sein, dem Unternehmer den dadurch entstandene Schaden zu ersetzen, insbesondere die entstandenen Arbeitskosten, weil dem Unternehmer die Möglichkeit genommen wurde, seine Mitarbeiter zu diesen Stundensätzen anderweitig einzusetzen, und die aufgewendeten Fahrtkosten. Denn für den Besteller liegt es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten auf Seiten des Unternehmers einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen können. Die innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der gegnerischen Vertragspartei erfordert deshalb, dass der Besteller vor Inanspruchnahme des Unternehmers im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig prüft, ob die in Betracht kommenden Ursachen für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seiner eigenen Sphäre liegen. Der Besteller braucht nicht vorab zu klären und festzustellen, ob die von ihm beanstandete Erscheinung Symptom eines Sachmangels ist. Er muss lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig überprüfen, ob sie auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nicht dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zuzuordnen ist. Bleibt danach ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, darf der Besteller Mängelrechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt.
Insbesondere von der Geltendmachung von Mängelrügen etwa nur aus taktischen Gründen ist daher im Regelfall abzuraten.