Gebäudeabschreibung: Nachweismöglichkeiten der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer

Zum Thema Gebäudeabschreibung existieren hinsichtlich der Nutzungsdauer und damit der anzuwendenden jährlichen Abschreibungssätze sowie auch hinsichtlich der Aufteilung eines Kaufpreises auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits derzeit verschiedene Ansichten zwischen Finanzgerichten und Finanzverwaltung. Der vorliegende Artikel stellt diese Ansichten und die hieraus für den Steuerpflichtigen resultierenden Möglichkeiten in Kürze dar.

Gebäudeabschreibung nach der gesetzlich typisierten Nutzungsdauer

Werden Immobilien zu Einkünfteerzielungszwecken genutzt, können Abschreibungen auf die Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten für das Gebäude steuermindernd berücksichtigt werden. Dem Steuerpflichtigen stehen dabei für Wohnimmobilien die üblichen Abschreibungssätze von 3 % p. a. oder 2 % p. a. zur Verfügung. Diesen Abschreibungssätzen liegt somit die Annahme einer typisierten Gebäudenutzungsdauer von 33 Jahren (Fertigstellung nach dem 31.12.2022) bzw. für ältere Gebäude von 50 Jahren (Fertigstellung vor dem 01.01.2023) zugrunde. Sofern das Gebäude vor dem 01.01.1925 fertiggestellt worden ist, gilt ein Abschreibungssatz von 2,5 % p. a. unter Annahme einer entsprechenden Nutzungsdauer von 40 Jahren. Die vorgenannten Abschreibungssätze gelten dabei grundsätzlich auch für erworbene Bestandsimmobilien. Unbeachtet bleibt dabei allerdings zunächst der tatsächliche Zustand des Gebäudes und die damit verbundene tatsächliche (gegebenenfalls noch verbleibende) Nutzungsdauer.

Insoweit sieht das Gesetz jedoch die Möglichkeit vor, von den o. g. typisierten Abschreibungssätzen abzuweichen und die Abschreibung auf Basis der tatsächlichen kürzeren Gebäudenutzungsdauer vorzunehmen. Mit dem Auslaufen der ehemals möglichen degressiven Gebäudeabschreibung und dem immer schnelleren Wandel der Bedürfnisse und technischen Gebäudeanforderungen ist die Bedeutung der sogenannten „Expressabschreibung“ nach der tatsächlichen kürzeren Nutzungsdauer gestiegen.

Nachweismöglichkeiten der tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer laut Rechtsprechung

Um Gebäude über eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer abschreiben zu können, ist diese durch den Steuerpflichtigen nachzuweisen. Gemäß der höchstfinanzgerichtlichen Rechtsprechung steht ihm dabei grundsätzlich jede geeignete Darlegungsmethode zur Verfügung, „die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint, soweit daraus Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (z. B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sind“ (vgl. BFH, Urteil vom 28.07.2021, IX R 25/19 BFH/NV 2022, 108). Als Nachweis ist somit z. B. nicht nur ein Bausubstanzgutachten, sondern im Einzelfall auch ein Sachwertgutachten nach der ImmoWertV oder andere Nachweise denkbar. Da im Rahmen der Schätzung nur die größtmögliche Wahrscheinlichkeit über eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer verlangt werden kann, überspannt nach Meinung des Bundesfinanzhofs eine Verengung der Gutachtenmethodik oder eine Festlegung auf ein bestimmtes Ermittlungsverfahren die Anforderungen an die Feststellungslast.

Einschränkende Anforderungen der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung reagierte im Nachgang mit einem faktischen Nichtanwendungserlass auf die o. g. Rechtsprechung und versucht seither die richterlich vorgegebenen Kriterien abzuwandeln und einzuengen (vgl. BMF, Schreiben vom 22.02.2023, IV C 3 – S 2196/22/10006:005, BStBl. I 2023, 406). Für das Abstellen auf die tatsächliche Nutzungsdauer ist laut der Finanzverwaltung vorrangig auf den technischen bzw. wirtschaftlichen Gebäudeverschleiß nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abzustellen, d. h. maßgeblich ist der Zeitraum, in dem sich das Gebäude substanztechnisch abnutzt bzw. der Zeitpunkt, ab dem eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung oder Verwertung des Gebäudes endgültig entfällt.

Ausgangspunkt für die Beurteilung des technischen Verschleißes soll die Nutzungsdauer der Tragstruktur des Bauwerkes sein (Dachkonstruktion, tragende Innen- und Außenwände, Geschossdecken und Fundament). Für die Annahme einer kürzeren technischen Nutzungsdauer soll es dabei aber nicht genügen, dass lediglich einzelne unselbstständige Teile des Gebäudes zur Erneuerung oder Ersetzung anstehen. Auch dann nicht, wenn der Aufwand zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes führen und die Aufwendungen steuerlich zu den Herstellungskosten des Gebäudes rechnen würden. Erforderlich sei vielmehr, dass durch technischen Verschleiß der tragenden Teile das Gebäude in seiner Gesamtheit in seiner Nutzungsfähigkeit beeinträchtigt ist.

Insbesondere für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer fordert die Finanzverwaltung – und damit explizit entgegen der o. g. Rechtsprechung – die Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind. Der Gutachtenzweck muss sich dabei ausdrücklich auf den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer richten und zwingend die maßgeblichen Determinanten (technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung und rechtliche Gegebenheiten) berücksichtigen. Hierbei soll auch eine mögliche Nachfolgenutzung des Gebäudes und deren Auswirkung auf die Nutzungsdauer einzubeziehen sein. Ein Bausubstanzgutachten im Sinne des ERAB-Verfahrens wird dagegen nicht zwingend verlangt.

Als nicht geeigneten Nachweis für eine kürzere Nutzungsdauer betrachtet die Finanzverwaltung insbesondere etwa die bloße Übernahme einer Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten oder den alleinigen Verweis auf die Modellansätze für die Gesamtnutzungsdauer in Verbindung mit dem Modell zur Ermittlung der Restnutzungsdauer bei Modernisierungen nach Anlage 1 und Anlage 2 der ImmoWertV.

Fazit

Für den Nachweis einer tatsächlich kürzeren als der gesetzlich typisierenden Gebäudenutzungsdauer lässt der Bundesfinanzhof in seiner jüngeren Rechtsprechung grundsätzlich jede Darlegungsmethode zu, die zur Führung des nötigen Nachweises geeignet erscheint. Mit ihrem Erlass vom 22.02.2023 engt die Finanzverwaltung diese weiten Nachweismöglichkeiten ein und fordert eine spezifizierte Gutachtenpflicht. Weitere Streitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung sind damit absehbar. Die Chancen des Steuerpflichtigen im Rahmen einer finanzgerichtlichen Auseinandersetzung stehen derzeit aber auch bei Vorbringen anderer als von der Finanzverwaltung geforderter Nachweismöglichkeiten gut. Dies vor allem mit Blick auf die o. g. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie jüngerer erstinstanzlicher Finanzgerichtsurteile (vgl. FG Münster vom 14.02.2023, 1 K 3841/19 F; FG Münster vom 27.04.2023 Az.1 K 487/19 E), die weitgehend positiv für die Steuerpflichtigen entschieden wurden. Insbesondere wurden zuletzt entgegen der Finanzverwaltung erneut auch Gutachten nach der ImmoWertV als Nachweis für eine kürzere Nutzungsdauer akzeptiert.

Auch eine Aufteilung des Grundstückspreises durch das Finanzamt zur Ermittlung des Gebäudeanteils allein anhand der Rechenhilfe der Finanzbehörde sollte bei Zweifeln nicht ohne Weiteres akzeptiert werden; hierzu verweisen wir auf unseren Beitrag zu einem früheren Urteil des Bundesfinanzhofs, mit dem die Rechenhilfe der Finanzbehörde regelmäßig als unzureichend qualifiziert wurde.

Sehr gerne unterstützen wir Sie vor diesem Hintergrund für Zwecke der Kaufpreisaufteilung bei der steuerlich maßgeblichen Wertermittlung für Ihre Immobilie sowie der Kommunikation gegenüber der Finanzverwaltung, um diese Aufteilung sowie gegebenenfalls auch eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer Ihrer Immobilie durchzusetzen und das bestmögliche steuerliche Ergebnis für Sie zu erzielen.