Gemeinnützige Stiftungen, Vereine und GmbHs in der Corona-Pandemie: Was gilt aktuell?

Das BMF und die obersten Finanzbehörden der Länder ermöglichen gemeinnützigen Stiftungen, Vereinen und GmbHs, ihrer sozialen Verantwortung in der Corona-Krise gerecht zu werden.

Zur Förderung und Unterstützung des gesamtgesellschaftlichen Engagements bei der Hilfe der von der Corona-Krise Betroffenen, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder eine Vielzahl an neuen Verwaltungsregelungen getroffen, die Spendern, Unternehmen, Arbeitnehmern und vor allem gemeinnützigen Stiftungen, Vereinen sowie gGmbHs zugutekommen sollen. Inhaltlich geben sie jedoch überwiegend bestehende gesetzliche Regelungen wieder oder entsprechen bereits bekannten Verwaltungsverlautbarungen.

Nachfolgend weisen wir auf das BMF-Schreiben vom 09.04.2020 (mit Ergänzung vom 26.05.2020) sowie auf die FAQ „Corona“ (Steuern) i. d. F. vom 05.06.2020 hin, ergänzt um eine Darstellung zu vereins-, stiftungs- und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben sowie um vom Gesetzgeber bereits getroffene Übergangsregelungen im Stiftungs-, Vereins- und Gesellschaftsrecht.

BMF äußerte sich zunächst nur zum Übungsleiterfreibetrag

Mit Blick auf Maßnahmen, die speziell für gemeinnützige Stiftungen, Vereine und GmbHs relevant sind, hatte das BMF zunächst lediglich in seinem FAQ-Katalog „Corona“ (Steuern) vom 01.04.2020 unter der Rubrik „Lohnsteuer“ zur Inanspruchnahme des Übungsleiterfreibetrags nach § 3 Nr. 26 EStG Stellung genommen (siehe näher dazu die PSP-News. vom 06.04.2020: https://www.psp.eu/artikel/668/der-bungsleiterfreibetrag-in-corona-zeiten/).

Steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene

Zwischenzeitlich wurden das BMF-Schreiben vom 09.04.2020 zu „steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffenen“ und der FAQ-Katalog „Corona“ (Steuern) am 17.04.2020 um eine Reihe von Fragen zu „Maßnahmen im Gemeinnützigkeitssektor und für gesellschaftliches Engagement in der Corona-Krise“ ergänzt. Am 26.05.2020 wurde das BMF-Schreiben vom 09.04.2020 mit Blick auf die Aufstockung von Kurzarbeitergeld ergänzt.

Die Dokumente können unter den nachfolgenden Links von der Website des BMF abgerufen werden:

Überwiegend Wiedergabe geltenden Rechts bei unklaren Billigkeitsregelungen

Der allgemeinen Presse ist die Aussage aus Reihen der Politik zu entnehmen, dass mit diesem Maßnahmenkatalog gemeinnützige Träger sich in der Corona-Krise engagieren können, ohne dass sie ihren Status der Gemeinnützigkeit gefährden. Doch wer das BMF-Schreiben vom 09.04.2020 genau liest, stellt fest, dass es zum überwiegenden Teil schlicht das geltende Recht wiedergibt und bereits bekannte Verwaltungsverlautbarungen wiederholt. Zwar enthält das BMF-Schreiben auch neue Billigkeitsregelungen, die jedoch teilweise ungenau gefasst sind, so dass letztlich unklar bleibt, wie weit sie im Einzelfall reichen. Wichtige Teilaspekte, wie z. B. Erleichterungen bei der zeitnahen Mittelverwendung, auf die im Vorfeld der Veröffentlichung von Teilen der Politik gedrängt worden ist, bleiben bislang ungeklärt. Zeitlich gelten die verlautbarten Verwaltungsregelungen für Unterstützungsmaßnahmen, die vom 01.03.2020 bis längstens zum 31.12.2020 durchgeführt werden.

Im PSP-Webinar vom 16.04.2020 haben wir die wichtigsten Inhalte des BMF-Schreibens erörtert und diese einer ersten Einschätzung unterzogen. Unter dem nachfolgend genannten Link steht Ihnen dieses PSP-Webinar kostenfrei zur Verfügung:

Mit Datum vom 17.04.2020 wurden einige Aussagen aus dem BMF-Schreiben vom 09.03.2020 in den FAQ-Katalog „Corona“ (Steuern) integriert. Unter Ziff. IX enthält dieser Katalog nunmehr elf für den Gemeinnützigkeitssektor relevante Fragen und Antworten, in denen zum Teil auch Aussagen zur umsatzsteuerlichen Behandlung getroffen werden. Die Antworten zu den häufig gestellten Fragen geben die geltende Rechtslage wieder oder wiederholen die Aussagen aus dem BMF-Schreiben vom 09.04.2020. Dort tritt neu hinzu, dass nun auch eine Erleichterung zur zeitnahen Mittelverwendung getroffen worden ist (s. Frage 8 unter Ziff. IX).

Achtung: Kein Freifahrtschein durch die Corona-Krise!

Sowohl das BMF-Schreiben vom 09.04.2020 als auch die Antworten aus dem FAQ-Katalog „Corona“ (Steuern) stellen klar, dass nicht per se jede Unterstützungsleistung zugunsten von durch die Corona-Krise Betroffenen begünstigt ist. So heißt es etwa in der Antwort zu Frage 6 der FAQ (Ziff. IX) wörtlich (ähnlich S. 3 des BMF-Schreibens):

Unterstützungsleistungen, mit denen keine gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecke verfolgt werden, z. B. an von der Corona-Krise besonders betroffene gewerbliche Unternehmen, Selbständige oder entsprechende Hilfsfonds der Kommunen, sind hingegen nicht begünstigt.

Noch einmal der Übungsleiterfreibetrag

Sowohl das BMF-Schreiben vom 09.04.2020 als auch die Antwort 11 aus dem FAQ-Katalog „Corona“ (Steuern) treffen zum Übungsleiterfreibetrag die bemerkenswerte Regelung, dass die Pauschale des § 3 Nr. 26 EStG vorübergehend weitergezahlt werden kann, obwohl die Ausübung der Tätigkeit wegen der Corona-Krise nicht möglich ist.

Ergänzung zur Aufstockung von Kurzarbeitergeld am 26.05.2020

Stocken steuerbegünstigte Körperschaften Kurzarbeitenden das Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln bis zu einer Höhe von insgesamt 80 % des bisherigen Entgelts auf, gelten nach dem BMF-Schreiben vom 09.04.2020 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nummern 1 und 3 AO als erfüllt, wenn die Aufstockung einheitlich für alle Arbeitnehmer erfolgt. In der Ergänzung vom 26.05.2020 stellt das BMF klar, dass unter dem Begriff des „bisherigen Entgelts“ das in den drei Monaten vor Einführung der Kurzarbeit durchschnittlich ausgezahlte Nettomonatsgehalt zu verstehen ist. Daneben werden wichtige Hinweise dazu gegeben, wie bei einer Aufstockung auf über 80 % des bisherigen Entgelts verfahren werden muss.

Privatrechtliche Vorgaben dürfen nicht außer Acht gelassen werden!

Die Finanzverwaltung informiert in ihren Verlautbarungen wie dem FAQ-Katalog „Corona“ (Steuern) und dem BMF Schreiben vom 09.04.2020 (mit Ergänzung vom 26.05.2020) über ihre künftige Besteuerungspraxis. Zur privatrechtlichen Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen äußert sie sich indes nicht und kann dies naturgemäß auch gar nicht.

Um Haftungsgefahren und Streitfragen zu vermeiden, sollten die Führungsverantwortlichen in Vereinen, Stiftungen und gGmbHs daher dafür Sorge tragen, auch in vereins-, stiftungs- und gesellschaftsrechtlicher Sicht rechtskonform zu agieren. Somit kann z. B. zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen Vereine, Stiftungen und gGmbH sich außerhalb ihrer eigentlichen Satzungszwecke zur Milderung der Not in Corona-Krisenzeiten sozial engagieren dürfen, ohne Schwierigkeiten durch „renitente“ Mitglieder bzw. Gesellschafter oder die Stiftungsaufsichtsbehörden fürchten zu müssen. Unter bestimmten Voraussetzungen können sich Maßnahmen, z. B. zur Förderung des Gesundheitswesens, des Wohlfahrtswesens und der Mildtätigkeit, nämlich auch dann vereins-, stiftungs- und gesellschaftsrechtlich im Einzelfall als zulässig erweisen, wenn solche Zwecke nicht ausdrücklich in der Satzung der steuerbegünstigten Körperschaft aufgeführt sind.

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie

Der Gesetzgeber hat sich zur vorstehenden Thematik bislang nicht ausdrücklich geäußert. Dies scheint auch nicht zwingend erforderlich, weil die konkreten Fälle unter Rückgriff auf das allgemeine Vereins-, Stiftungs- und Gesellschaftsrecht gelöst werden können. Um die Handlungsfähigkeit von Vereinen, Stiftungen und Gesellschaften weiterhin zu gewährleisten, wurden jedoch mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 (BGBl. I 2020, 569, BT-Drs. 19/18110) u. a. folgende Regelungen eingeführt:

  • Abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden.

  • Vorstandsmitglieder eines Vereins oder einer Stiftung bleiben auch nach Ablauf der Amtszeit so lange im Amt, bis sie abberufen werden bis ein Nachfolger bestellt ist.

  • Der Vorstand eines Vereins kann nun auch ohne entsprechende Satzungsregelung virtuelle Mitgliederversammlungen durchführen. Es ist auch möglich, dass Mitglieder ihre Stimme schon schriftlich vor der Mitgliederversammlung abgeben.

  • Außerhalb einer Mitgliederversammlung können nun auch ohne Allzustimmung Beschlüsse gefasst werden. Dafür ist die Textform ausreichend, also auch Fax oder Email. Zum Schutz der Mitglieder gilt aber, dass

  • alle Mitglieder beteiligt werden müssen,

  • mindestens die Hälfte der Mitglieder bis zu einem festzusetzenden Zeitpunkt abgestimmt haben müssen und

  • der Beschluss mit der gesetzlichen oder satzungsmäßig vorgesehenen Mehrheit gefasst wurde.

Die Regelungen finden jedoch (nur) auf im Jahr 2020 ablaufende Bestellungen von Vereins- und Stiftungsvorständen und im Jahr 2020 stattfindende Mitglieder- und Gesellschafterversammlungen Anwendung.

Sofern die Aus­wir­kun­gen der Corona-Pan­de­mie fort­dau­ern, kann der Gel­tungs­be­reich der neuen Regeln bis zum 31.12.2021 ver­län­gert wer­den.

Reichweite der neuen Regelungen ist nicht in jeder Hinsicht geklärt!

Wie viele aktuelle Gesetzesvorhaben musste der Gesetzgeber auch dieses naturgemäß mit „heißer Nadel“ stricken und es sind nicht alle Fragen der praktischen Umsetzung der oben genannten Regelungen damit geklärt. Zwar zeigt es eindeutig den Willen des Gesetzgebers, dass Vereine, Stiftungen und Gesellschaften handlungsfähig bleiben sollen. Gewisse Rechtsunsicherheiten bestehen jedoch – um nur drei derzeit praktisch relevante Aspekte aufzuführen – bei den Fragen,

  • ob Vereine auch im Rahmen von virtuellen Gründungsversammlungen wirksam errichtet werden können, was gegenwärtig insbesondere für Neu-Initiativen in Vereinsform relevant ist, die „Corona-Soforthilfen“ und ähnliches leisten wollen,

  • ob die Möglichkeit virtueller Versammlungen bei fehlender Satzungsregelung auch für Sitzungen eines Stiftungsvorstands oder fakultativen Stiftungs- oder Vereinsorgans (z. B. eines Stiftungs- oder Aufsichtsrats bzw. Kuratoriums) gegeben ist,

  • welche konkreten technischen und formalen Rahmenbedingungen zur Fassung „rechtssicherer“ Beschlüsse eingehalten werden müssen, wenn diese im Rahmen virtueller Versammlungen geschlossen werden sollen.

Ist eine Abstimmung mit den Finanz- und Stiftungsbehörden sachdienlich?

Bestehen steuerliche und rechtliche Unklarheiten, lautete ein oftmals anzutreffender Ratschlag, die Unsicherheiten im Wege einer Abstimmung mit dem Finanzamt und/oder mit der zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde aus der Welt zu schaffen. Mit Blick auf erst noch zu verwirklichende Sachverhalte sind jedoch – von bestimmten Ausnahmen in Einzelfällen wie z. B. einem förmlichen (Auskunfts-)Verfahren nach § 89 AO abgesehen – weder das Finanzamt noch die Stiftungsbehörde dazu berufen und in der Lage, eine unsichere Rechtslage rechtsverbindlich aufzulösen. Sowohl die steuerliche als auch die stiftungsbehördliche Aufsichtstätigkeit ist als nachgelagerte Rechtskontrolle konzipiert. Finanz- und Stiftungsbehörde haben grundsätzlich nicht die Pläne des Vorstands im Vorhinein zu bewerten, sondern dessen tatsächliche Geschäftsführung im Nachhinein auf ihre Rechtsmäßigkeit zu kontrollieren.

Auskünfte von Finanz- und Aufsichtsbeamten an Führungsverantwortliche in Stiftungen, die im Rahmen von informellen Abstimmungen erfolgt sind, haben sich in der Praxis des Stiftungswesens bereits mehrmals als Trugschluss erwiesen, weil sie die Verantwortlichen auf Stiftungsseite in einer falschen Sicherheit wogen. Der spätere Hinweis des Vorstands, man habe die Streitfrage doch im Vorfeld mit dem Beamten X auf dokumentierter Basis informell abgestimmt, spielte für den später zuständigen Beamten Y keine Rolle, weil er die Sach- und Rechtslage anders als sein Kollege beurteilte und die Abstimmung nicht im Rahmen eines (gänzlich fehlenden oder in der Regel von strengen formalen Voraussetzungen abhängigen) verbindlichen Auskunftsverfahrens erfolgte. Die informelle Vorabstimmung erweist sich danach als für den Vorstand praktisch wertlos, selbst wenn sie schriftlich – und damit auf dokumentierter Basis – erfolgt sein sollte.

Haftungsvermeidung durch Einholung von Rechtsrat

Finanzbehörden haben die Ordnungsmäßigkeit der Besteuerung und die Einhaltung des Gemeinnützigkeitsrechts sicher zu stellen. Und als Hüter des Stifterwillens haben die Stiftungsbehörden den Schutz der Stiftung, nicht den der Organmitglieder zu besorgen. Schon deswegen kann eine behördliche Vorabstimmung, Genehmigung oder Auskunft seitens der Finanz- und Stiftungsbehörden den Vorstand grundsätzlich nicht entlasten. Die Behörden können auch nicht über privatrechtliche Rechtsverhältnisse der Stiftung disponieren. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) im gesellschaftsrechtlichen Kontext in den Urteilen vom 20.09.2011 (Az. II ZR 234/09) und vom 28.04.2015 (Az. II ZR 63/14) festgestellt hat, haften Vorstandsmitglieder bei unsicherer Rechtslage unter bestimmten Voraussetzungen dann nicht, wenn sie qualifizierten Rechtsrat eingeholt haben.

PSP-Praxistipp:

Die aktuellen Verwaltungsverlautbarungen der Finanzverwaltung geben überwiegend das geltende Recht wieder. Zwar enthalten sie einige Billigkeitsregelungen, die gemeinnützigen Körperschaften ein Handeln in Zeiten der Corona-Krise erleichtern. Da deren Reichweite jedoch zum Teil unklar bleibt und unmissverständlich nicht per se jede Unterstützungsleistung begünstigt wird, wurde gemeinnützigen Stiftungen, Vereinen und GmbHs keineswegs ein „Freifahrtschein“ durch die Corona-Krise ausgestellt.

Doch selbst wenn eine Maßnahme in steuerlicher Hinsicht geklärt ist, sollten gemeinnützige Verein, Stiftungen und GmbHs auch die privatrechtlichen Vorgaben im Blick behalten. Etwaige Streitfragen, die etwa von „renitenten“ Vereinsmitgliedern, internen Aufsichtsorganen oder auch der Stiftungsaufsichtsbehörde aufgeworfen werden können, sind durch das BMF-Schreiben längst nicht vom Tisch. Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer sollten sich daher auch in Zeiten der Corona-Krise versichern, ob solche Fördermaßnahmen, die nach dem BMF-Schreiben ausnahmsweise erlaubt sind, auch mit den vereins-, stiftungs- und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben in Einklang gebracht werden können. Für Stiftungen sind dabei Abstimmungen mit der Stiftungsbehörde nicht das richtige Mittel der Wahl. Bei Bedarf stehen wir Ihnen diesbezüglich gerne zur Verfügung.