Müssen entnommene Gewinne eines Gesellschafters im Insolvenzfall zurückgezahlt werden?

Es ist rechtlich äußerst umstritten, ob und unter welchen Umständen im Insolvenzfall des Unternehmens an den Gesellschafter in der Vergangenheit ausgeschüttete Gewinne von dem Insolvenzverwalter unter Verweis auf die insolvenzrechtlichen Anfechtungsregelungen von dem Gesellschafter zurückgefordert werden können und zurückgezahlt werden müssen. Eine verbindliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem für die Praxis wichtigen Thema steht bisher aus.

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hatte in einer früheren Entscheidung geurteilt, dass bisher thesaurierte Gewinne, die in dem insolvenzrechtlich relevanten Anfechtungszeitraum entnommen werden, einem Gesellschafterdarlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (Insolvenzordnung) gleichgestellt sind und demzufolge von dem Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können. Nach dem OLG Koblenz soll eine Rückzahlungspflicht jedoch nur für einen Allein- oder Mehrheitsgesellschafter gelten. Die Auszahlung von bisher nicht entnommenen früheren Gewinnen aus früheren Geschäftsjahren an Minderheitsgesellschafter sei wieder anders zu beurteilen.

Das OLG Schleswig hat sich nunmehr in einem aktuellen Urteil der Gegenansicht angeschlossen. Eine Rückzahlung von erhaltenen Gewinnansprüchen sei nach insolvenzrechtlichen Tatbeständen auch gegenüber Allein- oder Mehrheitsgesellschaftern grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass es für eine nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichgestellte Forderung bei Gewinnansprüchen an einem unentziehbaren Forderungsrecht fehle, solange die thesaurierten Gewinne noch durch spätere Verluste aufgezehrt werden können. Gewinnansprüche und dem Unternehmen von dem Gesellschafter gewährte Darlehen seien insolvenzrechtlich nicht vergleichbar. Nach Auffassung des OLG Schleswig müssen deshalb an die Gesellschafter ausgezahlte Gewinne, anders als ein vor der Insolvenz an den Gesellschafter zurückgezahltes Gesellschafterdarlehen, grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden.

Diese unterschiedlichen Urteile der Oberlandesgerichte machen deutlich, dass die Ausschüttung von bisher thesaurierten Gewinnen, die als Gewinnvortrag gebucht oder in eine Kapitalrücklage eingestellt sind, im Krisenfall (und auch in dessen Vorfeld) eines Unternehmens äußerst problematisch und risikobehaftet sein kann – insbesondere dann, wenn die Krise unvorhergesehen und plötzlich eintritt. Bis dahin besteht ein weiteres Risiko für eine etwaige Rückzahlung von vermeintlich sicher erhaltenen und in die Privatsphäre des Gesellschafters transferierten Beträgen im Krisenfall eines Unternehmens.