Wer Gemeinschaftseigentum ohne Eigentümerbeschluss erneuert, zahlt!

Real Estate Praxistipp zu BGH, Urteil vom 14.06.2019, V ZR 254/17

Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehört insbesondere dessen ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung (§ 21 Abs. 4 und 5 Nr. 2 WEG). Sie steht allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu (§ 21 Abs. 1 WEG).

Von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, muss daher jede Maßnahme der Instandhaltung, Instandsetzung oder Erneuerung von gemeinschaftlichem Eigentum von ihnen vorab mehrheitlich beschlossen werden. Führt ein Eigentümer solche Maßnahmen ohne einen wirksamen Eigentümerbeschluss durch, kann er von den Miteigentümern oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Kosten- oder Wertersatz verlangen, sondern muss selbst bezahlen.

Der Fall:

Wohnungseigentümer W lässt 2005 die 32 Jahre alten einfach verglasten Holzfenster seiner Wohnung durch Kunststoffrahmenfenster mit Dreifachisolierglas ersetzen. Zu diesem Zeitpunkt legen er und alle weiteren Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft die nach ihrem Wortlaut nicht ganz eindeutige Teilungserklärung übereinstimmend dahingehend aus, dass die Erneuerung der Fenster von dem jeweiligen Wohnungseigentümer auf eigene Kosten vorzunehmen ist. Erst im Jahr 2012 stellt sich die Unrichtigkeit dieses Verständnisses heraus: Der BGH entscheidet, dass dann, wenn die Wohnungseigentümer die Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer zur Erneuerung der ihrer Wohnungseigentumseinheit zugeordneten Fenster nicht eindeutig und unmissverständlich geregelt haben, deren Erneuerung im Zweifel Sache der Gemeinschaft ist (BGH, Urteil v. 02.03.2012, Az. V ZR 174/11; BGH, Urteil v. 22.11.2013 Az. V ZR 46/13). Daraufhin verlangt W von der Wohnungseigentümergemeinschaft Wertersatz in Höhe von € 5.500.

Wie schon die Vorinstanzen lehnt auch der BGH diesen Anspruch ab. Zur Begründung führt er u.a. aus:

  • Die allgemeinen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Bereicherungsrechts, die einen derartigen Ersatzanspruch grundsätzlich gewähren würden, werden durch die speziellere und damit vorrangige Regelung betreffend die Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums in § 21 Abs. 4 und 5 WEG verdrängt. Nach diesen haben die Wohnungseigentümer über etwaige Instandsetzungsmaßnahmen zu entscheiden.

  • Von den Fällen der Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 WEG) abgesehen, gilt dies selbst dann, wenn die Maßnahme zwingend vorgenommen werden musste. Denn auch bei zwingend notwendigen Maßnahmen bleibt den Wohnungseigentümern regelmäßig ein Gestaltungsspielraum. Es ist insbesondere ihre Sache zu entscheiden, ob sie die Maßnahme isoliert oder zusammen mit anderen Arbeiten durchführen lassen wollen und welche Handwerker sie beauftragen.

  • Auch wenn der Wohnungseigentümer eine Maßnahme zur Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums in der irrigen Annahme durchführt, er habe sie als Sondereigentümer auf eigene Kosten vorzunehmen, schließen schutzwürdige Interessen der Miteigentümer seinen Ersatzanspruch aus. Zwar müssen Wohnungseigentümer stets damit rechnen, dass es durch Mängel des Gemeinschaftseigentums zu unvorhersehbaren Ausgaben kommt, für die sie einzustehen haben. Sie müssen ihre private Finanzplanung aber nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit herangezogen werden, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten.

PSP-Praxistipps:

Hält ein Eigentümer Bestandteile des Gemeinschaftseigentums für instandsetzungs- oder erneuerungsbedürftig, ist ihm zur Vermeidung rechtlicher und wirtschaftlicher Nachteile (u.a. sogar der Verpflichtung zum Rückbau auf seine Kosten) anzuraten, in jedem Fall einen Beschluss der Wohnungseigentümer über die Durchführung der Maßnahme herbeizuführen. Dazu sollte er sich an den Verwalter wenden. Dieser ist verpflichtet, die zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen (Feststellung des Bedarfs, Einholung von verschiedenen Kostenvoranschlägen, Einberufung einer Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung usw.).

So sollte der einzelne Wohnungseigentümer auch dann vorgehen, wenn er glaubt, die Teilungserklärung enthalte eine klare Regelung, die ihm allein die Verpflichtung zur Durchführung der Maßnahme auf seine Kosten zuweist. Denn andere Eigentümer interpretieren auch eine vermeintlich eindeutige Regelung möglicherweise in einem von ihm nicht erwarteten, aber durchaus denkbaren abweichenden Sinn. Zudem besteht nicht immer eine einhellige Auffassung aller Wohnungseigentümer darüber, welche Bestandteile des Gebäudes Gemeinschaftseigentum sind; im Einzelfall kann die Abgrenzung tatsächlich schwierig sein. Wird nicht lediglich ein mangelhaftes Bauteil durch ein identisches mangelfreies ausgetauscht, sondern durch ein andersartiges ersetzt, handelt es sich um eine bauliche Veränderung, die nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 22 WEG gestattet ist. In einer Eigentümerversammlung treten derartige Differenzen zu Tage, bevor Fakten geschaffen werden. Sie können dann durch eine die Diskussion abschließende Beschlussfassung beigelegt werden, durch die über das Ob und auch das Wie der Instandsetzungs- oder Erneuerungsmaßnahme entschieden wird.

Findet der Antrag des Wohnungseigentümers in der Wohnungseigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit, kann er eine Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG erheben. Unter Umständen kann auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommen.