Update – Erbschaftsteuerliche Begünstigung von Unternehmensvermögen nach BFH-Rechtsprechung

Mit der Veröffentlichung der Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zum „jungen Verwaltungsvermögen“ und zum „Entlastungsbetrag“ wird leider bestätigt, was im Januar 2020 bereits abzusehen war: Betriebsvermögen kann auch ohne Missbrauchsabsicht begünstigungsschädliches „junges Verwaltungsvermögen“ sein und unterliegt so ohne steuerliche Verschonung voll der Erbschaft- oder Schenkungsteuer.

Aktuelle Rechtsprechung

Aus fünf Urteilen des BFH vom 22. Januar 2020 (Aktenzeichen: II R 8/18, II R 13/18, II R 18/18, II R 21/18 und II R 41/18) ergibt sich, wie es in der Pressemitteilung vom 13. August 2020 heißt: Hat ein Betrieb binnen zweier Jahre vor einem Erbfall oder einer Schenkung Verwaltungsvermögen aus Eigenmitteln erworben oder umgeschichtet, fällt insoweit die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Begünstigung des Betriebsvermögens fort. Es bestätigt sich das, was sich bereits in der mündlichen Verhandlung abzeichnete.

Steuerrechtlicher Hintergrund

Die §§ 13a, 13b ErbStG haben zum Ziel, unternehmerisches Vermögen im Erbfall oder bei einer lebzeitigen Übertragung wenigstens zum Teil von der Erbschaft- und Schenkungsteuer auszunehmen. So soll sichergestellt werden, dass die Übertragung des Unternehmens den Bestand desselben nicht gefährdet. Der Unternehmensnachfolger soll den Betrieb weiterführen können; insbesondere Arbeitsplätze sollen dadurch gesichert werden. Verfassungsrechtlich ist seit 2014 geklärt, dass diese Privilegierung unternehmerischen Vermögens nicht zu weit reichen darf. Auch die Anfälligkeit für eine missbräuchliche Ausnutzung des Verschonungssystems wird angeführt, um die teilweise Steuerbefreiung einzudämmen. So ist beispielsweise nicht jeder Betrieb per se begünstigt

Gesetzlicher Rahmen

Jung zu sein, ist nicht immer vorteilhaft. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer gilt das besonders. Nach der Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sieht dieses innerhalb des ohnehin steuerschädlichen Verwaltungsvermögens die Kategorie des sog. „jungen Verwaltungsvermögens“ vor. Dieser Teil des Verwaltungsvermögens wird innerhalb der komplizierten Berechnungen zur Ermittlung des Vermögens, das steuerlich privilegiert oder verschont wird, regelmäßig nicht berücksichtigt. Mit anderen Worten: Junges Verwaltungsvermögen unterliegt stets und in vollem Umfang der Besteuerung mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer.

Ob ein Unternehmen als „begünstigungsfähig“ einzustufen ist, richtet sich unter anderem nach seiner Rechtsform und nach der Höhe der Beteiligung des Übertragenden an dem Unternehmen. Das Verschonungssystem für unternehmerisches Vermögen geht – ganz vereinfacht dargestellt – von folgendem aus:

Das Vermögen des Unternehmens wird zunächst in zwei Oberkategorien aufgeteilt: In das sog. „begünstigte Vermögen“. Das Gesetz versteht darunter in etwa das Produktivvermögen, also jenes Vermögen, das dem Betrieb des Unternehmens dient. Daneben steht das sog. „Verwaltungsvermögen“. Damit sind die Vermögensgegenstände gemeint, bei denen der Gesetzgeber unterstellt, sie würden nicht dem Betrieb des Unternehmens, sondern eher der Vermögensverwaltung dienen. Nicht die Produktion, sondern die Vermögensanlage stehe hier entsprechend im Vordergrund. Hierunter fallen z. B. vermietete Immobilien, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften unter 25 %, Kunst, Bargeld, Wertpapiere sowie Forderungen. 

Der begünstigte Teil des Betriebsvermögens kann unter bestimmten Voraussetzungen zu 100 % steuerfrei gestellt werden. Das Verwaltungsvermögen hingegen durchläuft eine komplizierte Berechnung, im Rahmen derer Schulden verrechnet werden und besondere Abschläge (Umqualifizierungen in begünstigtes Vermögen) vorgenommen werden. Der nach diesen Berechnungen verbleibende Teil des Verwaltungsvermögens unterliegt in vollem Umfang der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Er wird also von dem Verschonungssystem ausgenommen.

Im Rahmen dieser Berechnung spielt das sog. „junge Verwaltungsvermögen“ eine besondere Rolle. Alle Vermögensgegenstände, die zum eben skizzierten Katalog des Verwaltungsvermögens gehören und dem Betrieb weniger als zwei Jahr „zuzurechnen“ sind, werden separiert. Sie werden weder mit Schulden verrechnet, noch in begünstigtes Vermögen umqualifiziert. Im Gegenteil: Sie unterliegen ausnahmslos und in vollem Umfang der vollen Besteuerung. Hintergrund ist die typisierende Annahme, solches Vermögen würde nur deshalb in das Unternehmen überführt, um es steuerfrei übertragen zu können.

Die betroffenen Fallkonstellationen

Es liegt auf der Hand, dass das sog. „junge Verwaltungsvermögen“ sowohl aus der Sicht des Steuerpflichtigen als auch aus der Sicht der Finanzverwaltung von besonderer Relevanz ist. Der Einlagefall – also eine Konstellation, in der der Steuerpflichtige „von außen“ beispielsweise Barmittel in seine Gesellschaft einlegt – ist unstreitig. Erfolgte diese Einlage zwei Jahre vor dem steuerlichen Stichtag, wurde „junges Verwaltungsvermögen“ geschaffen. Dem Betrieb wurde Verwaltungsvermögen zugeführt, das er zuvor nicht hatte. Dieses Vermögen ist nicht steuerfrei zu stellen.

Der Streit entzündet sich in anderen Fällen, namentlich dann, wenn unternehmensinterne Vorgänge zur Neuzuordnung eines Vermögensgegenstandes geführt haben. In der Praxis haben sich folgende besonders streitanfällige Fälle herausgebildet:

Aktivtausch: Der Unternehmer hat seit mehr als zwei Jahren Barvermögen in seinem Unternehmen, das z. B. aus Gewinnrücklagen entstanden sein kann. Dieses Barvermögen ist zwar Verwaltungsvermögen, nicht aber jung. Hiervon schafft er innerhalb von zwei Jahren vor dem steuerlichen Stichtag Wertpapiere an. Führt diese Anschaffung nun zu jungem Verwaltungsvermögen, weil die Wertpapiere nicht länger als zwei Jahre zum Betrieb gehören? Oder aber sind die Wertpapiere bloß als Substitut des „alten“ Verwaltungsvermögens in Form des Barvermögens anzusehen?

Umschichtung: Der Unternehmer hat seit mehr als zwei Jahren Wertpapiere in seinem Unternehmensvermögen. Er veräußert diese und schafft davon neue Wertpapiere an oder aber er schichtet sein Aktiendepot um. Die Frage, die nun auftaucht, ist dieselbe wie beim Aktivtausch. Die Besonderheit dieser Konstellation besteht nun darin, dass innerhalb derselben Art von Vermögensgegenstand Umschichtungen vorgenommen wurden.

Verschmelzung: Eine Kommanditgesellschaft ist alleinige Gesellschafterin einer GmbH. Diese GmbH hält seit vielen Jahren Vermögensgegenstände, die als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren sind. Der Geschäftsbetrieb der GmbH ruht aber. Zur Verschlankung der Unternehmensstruktur wird die GmbH mit der Kommanditgesellschaft verschmolzen. In der Folge wird das Betriebsvermögen der GmbH nun Betriebsvermögen der Kommanditgesellschaft. Auch hier ist die Frage, ob aus dem „alten“ Vermögen der GmbH auf einmal „neues“ Vermögen der Kommanditgesellschaft wurde, obwohl das Vermögen den Unternehmensverbund nicht verlassen hat.

Die Urteile vom 22. Januar 2020, veröffentlicht am 13. August 2020, im Überblick

Die Kläger waren der Auffassung, dass der Begünstigungsausschluss nicht für solche Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gilt, die ohne erkennbare Missbrauchsabsicht innerhalb der Zwei-Jahres-Frist aus anderweit liquiden Mitteln des Betriebs oder sogar im Rahmen einer reinen Umschichtung gleichartiger Wirtschaftsgüter angeschafft worden waren. Die jeweils von den Klägern angerufenen Finanzgerichte teilten deren Auffassung nicht und wiesen die Klagen ab.

Der BFH bestätigte, wie zu erwarten war und wie sich aus der zitierten Pressemitteilung ergibt, die Urteile der Finanzgerichte. Er hat ebenfalls im Hinblick auf die gesetzliche Typisierung eine Missbrauchsprüfung im Einzelfall nicht zugelassen. Maßgebend ist deshalb allein, ob das einzelne Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens, so auch das einzelne Wertpapier, tatsächlich innerhalb der Frist dem Betriebsvermögen zugeführt wurde. Es kommt nicht darauf an, ob dies ein Einlage- oder Anschaffungsvorgang war, wie die Anschaffung finanziert wurde und welche Zielsetzung dem Vorgang zugrunde lag. Ausschlaggebend sei allein die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes, der sich ganz vorrangig aus dem Wortlaut der Norm ergebe.

Die Urteile vom 22. Januar 2020, veröffentlicht am 13. August 2020, in Einzelheiten

Wie sich bereits aus der Auswertung der mündlichen Verhandlungen ergab, war maßgeblich für die Entscheidung des BFH, wie die Worte „Verwaltungsvermögen“ und „zuzurechnen“ auszulegen sind. Es ging also zum einen darum, ob der Begriff „Verwaltungsvermögen“ einzelne Vermögensgegenstände anspricht. Dies ist für die Sicht der Finanzverwaltung vorteilhaft. Wäre damit hingegen die Summe der Vermögensgegenstände gemeint, wäre dies für den Steuerpflichtigen von Vorteil. Denn dann wären alle Fälle unproblematisch, die die Summe der Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens unverändert lässt.

Zum anderen ging es darum, ob sich das Wort „zuzurechnen“ allein auf Fälle bezieht, in welchen Vermögensgegenstände neu („von außen“) zugeführt werden, oder ob darunter auch unternehmensinterne Vorgänge zu fassen sind. Hinweise auf die korrekte Auslegung bieten der Wortlaut selbst, Sinn und Zweck der Norm, Entstehungshistorie, Gesetzesbegründung und die systematische Stellung innerhalb der Norm.

Den Urteilen ist nun zu entnehmen:
  • Der Begriff „Verwaltungsvermögen“ zielt auf die einzelnen Vermögensgegenstände. Eine Summenbetrachtung ist nicht anzustellen. Ausschlaggebend erscheint hier die Stellung der Norm im Gesetz und die weitere Verwendung des Begriffs im Rahmen des Normenkomplexes. An mehreren Stellen des ErbStG wird sichtbar, dass Verwaltungsvermögen einzelne Vermögensgegenstände anspricht.

  • Der Begriff „zuzurechnen“ erfasst nicht nur Fälle von Einlagen, also von Zuführungen von außen. Auch wenn der Wortlaut selbst „neutral“ sei, ergebe sich diese Auslegung aus dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen. Denn trotz mehrerer Vorstöße des Bundesrates im Gesetzgebungsfahren hatte die Bundesregierung ausdrücklich daran festgehalten, den Wortlaut nicht auf Einlagefälle zu beschränken. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber wollte explizit die Erfassung von Fällen des Aktivtausches und der Umschichtungen. Der Senat sieht sich wohl außer Stande, von dieser klaren Entscheidung des Gesetzgebers abzurücken.

  • Dem Argument, es handele sich nicht um missbräuchliche Gestaltungen, weil die Verwaltungsvermögensquote unverändert bleibe, folgte der Senat nicht. Das Argument der Finanzverwaltung, es handele sich bei §§ 13a, 13b ErbStG um „abstrakte Missbrauchsvermeidungsnormen“, für die keine konkrete Missbrauchshandlung erforderlich sei, war wohl überzeugender.

  • Die Verschmelzung ist doch kein Sonderfall: In der mündlichen Verhandlung zum Fall der Verschmelzung war noch eine für den Steuerpflichtigen positive Haltung des Senats festzustellen. Leider hat sich diese nicht manifestiert. Der BFH urteilt nun: Auf die Herkunft des Vermögensgegenstandes oder der zu seiner Finanzierung verwendeten Mittel kommt es nicht an.
    Gehen innerhalb der Zweijahresfrist durch eine Aufwärtsverschmelzung Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens von der verschmolzenen auf die aufnehmende Gesellschaft über, handelt es sich bei diesen Wirtschaftsgütern um junges Verwaltungsvermögen.

Fazit

Die Zusammenfassung der Urteile des 2. Senats des BFH bestätigt die restriktive Auslegung der Befreiungsvorschriften der §§ 13a, 13b ErbStG.

Auch Gedanken der Einzelfallgerechtigkeit, gerade in Fällen ohne Missbrauchsabsicht, und Gedanken der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes im Ganzen spielen keine Rolle bei den Erwägungen des Senats. Dass die Frage der Verfassungswidrigkeit keinen Eingang in das Urteil fand, mag dem Umstand geschuldet sein, dass dieser Aspekt von den Vertretern der Kläger wenigstens in den mündlichen Verhandlungen nicht thematisiert wurde.