Notizzetteltestamente?

Die Praxis der Gerichte illustriert, dass Testamente auf ungewöhnlichem Papier unterschiedlich beurteilt werden.

Für ein selbst gefertigtes Testament verlangt das Gesetz lediglich eine „eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung“ (§ 2247 BGB). Auf welche Weise eine solche Erklärung verkörpert sein muss, wird nicht gesetzlich vorgegeben. Genügt es etwa, den letzten Willen in den Sand zu schreiben, der durch die nächste Windböe wieder verwischt werden kann? Genügt es, den letzten Willen auf einer Tafel mit Kreide festzuhalten oder auf einem Bildschirm mittels digitalem Touch- oder Smartpen? Ist es möglich, im Restaurant auf einer Speisekarte zu testieren? Und wie steht es um die Verbindlichkeit des „Brief- bzw. Postkartentestaments“? Gerade die jüngere Gerichtspraxis zu Testamenten auf ungewöhnlichem Papier zeigt, dass solche scheinbar absurden Fragen überaus relevant werden können.

Das OLG München und der Notizzettel minderer Qualität im Format 10 cm x 7 cm

Im Beschluss vom 28.1.2020 – 31 Wx 229-231/19 – hatte das OLG München ein auf ungewöhnlichem Material errichtetes Testament zu beurteilen. Der Erblassers formulierte seinen letzten Willen auf einem „Notizzettel minderer Qualität im Format 10 cm x 7 cm“.

In solchen Fällen muss zumeist festgestellt werden, ob der Erblasser trotz Verwendung eines Notizzettels tatsächlich rechtsverbindlich testieren wollte. Insbesondere muss ausgeschlossen werden können, dass es sich bei dem zu würdigenden Schriftstück lediglich um einen unverbindlichen Testamentsentwurf handelt. Da der Erblasser im Nachhinein nicht mehr dazu befragt werden kann, ob seine Äußerung auf einem Testierwillen basiert, sind Abgrenzungs- und Auslegungsfragen mitunter sehr schwierig zu beurteilen und stark von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

Ein wirksames Testament setzt voraus, dass der Testierende seinen letzten Willen rechtsverbindlich formulieren will. Eine ungewöhnliche Schreibunterlage allein spricht per se nicht gegen einen Testierwillen. Dies gilt – wie das OLG München nun betonte – vor allem dann, wenn der Erblasser bereits frühere Testamente auf ungewöhnlichem Papier errichtete.

Diese Rechtsprechung liegt zugleich auf der Linie des Bundesgerichtshofs (BGH), der bereits in den 1960er Jahren entschieden hatte, dass ein von dem Erblasser mittels eines Durchschreibebogens (Blaupause) errichtetes Schriftstück ein formgültiges Testament sein kann (BGH, Beschl. v. 3.2.1967 – III ZB 14/66).

Das OLG München und der Notizzettel im Format von ca. 7,5 cm x 10,5 cm

Das OLG München hatte sich bereits mit Beschluss vom 25.09.2008 – 31 Wx 42/08 – mit einem Notizzetteltestament zu befassen. Das Gericht entschied seinerzeit, dass die auf einem Notizzettel im Format von ca. 7,5 cm x 10,5 cm eigenhändig geschriebene und unterschreiben Aufforderung, die „anliegenden“ Unterlagen dem Notar zu geben, „damit der Erbschein für Dich ausgestellt werden kann“, mangels hinreichend sicher feststellbaren Testierwillens keine formwirksame letztwillige Verfügung ihres Urhebers sei.

Das OLG Braunschweig und der wenige Zentimeter große quadratische Notizzettel

In jüngster Zeit ist das OLG Braunschweig zu einem wenige Zentimeter großen quadratischen Notizzettel zum Ergebnis gelangt, dass darin kein gültiges ordentliches Testament i. S. d. §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB liege. Erneut war zweifelhaft, ob die Erblasserin mit Testierwillen handelte. Überdies wäre eine im Zettel liegende letztwillige Verfügung zu unbestimmt und daher nichtig gewesen („Wenn sich für mich einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim streckt, der bekommt mein Haus und alles was ich habe.“).

PSP-Praxistipp

Auch in einem wenige Zentimeter großen handschriftlich beschriebenen Notizzettel kann grundsätzlich ein wirksames Testament liegen, vorausgesetzt der Testierwille ist hinreichend bestimmt. Angeraten sind solche „Notizzetteltestamente“ freilich nicht, weil sie oftmals „fehlgehen“, von übergangenen Erben angegriffen werden (können) oder den tatsächlichen Willen des Erblassers häufig nur unvollkommen wiedergeben. Um über den für die rechtliche Würdigung entscheidenden Testierwillen von vornherein keinen Zweifel aufkommen zu lassen, sollten Testamente möglichst nicht auf „ungewöhnlich“ erscheinenden Materialien verfasst werden.

Bloße Entwürfe hingegen können getrost auf Notizzetteln gekritzelt und sollten schließlich als Entwürfe auch unmissverständlich benannt werden. Anderenfalls droht der eigentlich unverbindliche Entwurf von der Nachwelt fälschlicherweise als rechtsverbindliches Testament angesehen zu werden. Dem Erblasser würde ein Testierwille gleichsam nachträglich untergeschoben. Dass so etwas in der Rechtspraxis vorkommen kann, wusste auch der Dichterjurist Goethe in den Zahmen Xenien: „Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr`s nicht aus, so legt was unter.“