Gemeinnützigkeit: Muss die Mustersatzung wortwörtlich übernommen werden?

Das Finanzgericht Hessen widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung

In diesem aktuellen Praxis-Artikel erfahren Sie, dass nach der Rechtsprechung des FG Hessen die gemeinnützigkeitsrechtliche Mustersatzung nicht wortwörtlich übernommen werden muss.

In der Praxis wird immer wieder darum gestritten, ob bei der Satzungsgestaltung zwingend die Formulierungen der gemeinnützigkeitsrechtlichen Mustersatzung –gegebenenfalls wortwörtlich – verwendet werden müssen. Das Finanzgericht Hessen macht nicht zum ersten Mal deutlich, dass die Festlegungen dieser Mustersatzung in den Satzungen von steuerbegünstigten Körperschaften – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, die nur wenige Ausnahmen zulässt – durchaus nicht wortwörtlich wiederholt werden müssen (FG Hessen, Urteil vom 26.02.2020, Az. 4 K 594/18).

Der Sachverhalt

Eine im Jahr 1995 gegründete und seither als steuerbegünstigt behandelte gGmbH klagte nach einer Änderung ihres Gesellschaftsvertrags gegen die Versagung des von ihr beantragten Bescheids auf Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a AO. Das Finanzamt stand auf dem Standpunkt, einen solchen Bescheid erst dann erlassen zu dürfen, wenn die gemeinnützigkeitsrechtliche Mustersatzung wortwörtlich in den Gesellschaftsvertrag übernommen wird. Insbesondere sollten die Zwecke genau so formuliert werden, wie die Mustersatzung und der Zweckkatalog in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO dies vorsehen.

Das Gesetz

Damit eine Körperschaft als steuerbegünstigt behandelt werden kann, müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind. 

Dazu muss die Satzung die in der Anlage 1 zu § 60 AO bezeichneten Festlegungen enthalten. Seit dem 01.01.2009 versieht § 60 AO die „Mustersatzung für Vereine, Stiftungen, Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, geistliche Genossenschaften und Kapitalgesellschaften“, die die „nur aus steuerlichen Gründen notwendigen Bestimmungen“ bezeichnet, mit Gesetzeskraft. 

Doch folgt daraus, dass diese Mustersatzung bis auf wenige Ausnahmen wortwörtlich übernommen werden muss, so wie es die Finanzverwaltung im AO-Anwendungserlass nahelegt (siehe AEAO Nr. 2 Sätze 1 f. zu § 60 AO)?

Die Entscheidung

Hinsichtlich der gemeinnützigkeitsrechtlichen Zwecke in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO würde die Pflicht zur wortwörtlichen Übernahme der Mustersatzung bedeuten, dass es den Leitungsorganen „mitunter möglich [wäre], einen darunter fallenden (Teil-)Zweck zu verfolgen, den die Mitglieder bzw. Gesellschafter so nicht gewollt haben. Deshalb wird häufig eine Einengung der satzungsgemäßen Tätigkeit gewollt und bestimmt sein (z. B. bei Sportvereinen etwa die konkrete Sportart statt bloß Förderung des Sports)“ (FG Hessen, Urteil vom 26.02.2020, Az. 4 K 594/18). 

Danach genügt es für das FG Hessen, wenn der in der Satzung einer Körperschaft formulierte Zweck mit § 52 Abs. 2 Satz 1 AO inhaltlich vereinbar ist; einer wortwörtlichen Übernahme bedarf es nicht. Der Feststellungsbescheid wurde der gGmbH daher zu Unrecht versagt. 

PSP-Praxistipp:

Der Fall des FG Hessen zeigt, dass steuerbegünstigten Körperschaften Feststellungsbescheide durchaus häufig zu Unrecht vorenthalten werden. Aus Sicht des Finanzamts gelten Satzungen häufig deswegen als nicht gemeinnützigkeitskonform, weil sie die steuerliche Mustersatzung nicht „beim Wort“ nehmen würden. Das FG Hessen weist zum wiederholten Male darauf hin, dass diese strenge Sichtweise nicht angemessen ist. 

Da der Feststellungsbescheid nach § 60a AO für steuerbegünstigte Körperschaften von enormer Bedeutung ist, sollten diese im Rahmen von Satzungsänderungen keine Risiken eingehen, sondern die „formelle Satzungsmäßigkeit“ mit dem Finanzamt vorabstimmen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Sie hierbei unterstützen können.