Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung

Zur weiteren Bekämpfung von Umsatzsteuerhinterziehung trat zum 1.1.2020 § 25f UStG in Kraft. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 neu eingefügt und regelt die Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. der Steuerbefreiung in Missbrauchsfällen – insbesondere in Form von Ketten- und Karussellgeschäften. Erstmals anwendbar ist die Vorschrift auf Voranmeldungs- und Besteuerungszeiträume, die nach dem 31.12.2019 enden. Mit der Regelung wollte der nationale Gesetzgeber die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH umsetzen.

Regelungsinhalt und Rechtsfolge

Bei der Vorschrift handelt es sich um eine steuerliche und nicht um eine Strafrechtsvorschrift. Nach dieser Norm wird dem Unternehmer sein Recht auf Vorsteuerabzug für gewisse Eingangsumsätze sowie die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen versagt, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass auf einer vorangegangenen oder nachfolgenden Umsatzstufe in der Liefer- und Leistungskette eine Steuerhinterziehung begangen wurde.

Steuerstrafrechtliche Überlegungen

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Versagung obiger umsatzsteuerlicher Rechte ist die Einbeziehung des Unternehmers in eine Straftat oder eine Steuerordnungswidrigkeit. In Betracht kommt hierfür eine Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 AO, ein Vergehen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Schädigung des Umsatzsteueraufkommens im Sinne von § 26c UStG oder die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens im Sinne von § 26b UStG. Das Finanzamt muss nachweisen, dass der Steuerpflichtige die Einbeziehung seines Umsatzes in der sanktionierten Kette kannte oder hätte kennen müssen, ihn also Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Folgt man der Rechtsprechung des BGH in anderen Bereichen, muss das subjektive Moment im Zeitpunkt der Leistungserbringung bzw. im Zeitpunkt des sanktionierten Leistungsbezugs vorliegen.

Eine andere Frage ist, ab wann sich ein Steuerpflichtiger einer eigenen Steuerverkürzung schuldig macht bzw. von ihm ein Tätigwerden gegenüber dem Finanzamt abverlangt wird, dessen Unterlassen sanktioniert wird.

Fallbeispiel

Unternehmer U ist seit 01.01.2020 in ein Umsatzsteuerkarussell als „Buffer“ (hierbei handelt es sich um eine unauffällige, am Markt tätige Firma, die zur Verschleierung des Warenkreislaufs zwischengeschaltet wird) eingebunden, wovon er zunächst nichts wusste und dies auch nicht hätte erkennen können. So macht er in seinen Umsatzsteuervoranmeldungen zum 10. des Folgemonats stets den Vorsteuerabzug geltend. Dies setzt er fort, obwohl er am 01.04.2020 erkannt hat, dass er in ein Hinterziehungssystem verwickelt ist.

U macht sich wegen Steuerhinterziehung strafbar, weil er für Lieferungen nach dem 01.04.2020 weiterhin ein Vorsteuerabzugsrecht geltend macht und dies auch bei Abgabe der Steuererklärung weiß. Damit handelt er vorsätzlich.

Im Gegensatz dazu macht er sich jedoch nicht wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 AO strafbar, indem er die zuvor abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen nicht nach § 153 AO berichtigt. Dies gilt selbst für die nach dem 01.04.2020 abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung für März 2020. Grund dafür ist der Umstand, dass U zum Leistungszeitpunkt – im März 2020 – noch keine Kenntnis von den relevanten Tatsachen besaß.

Von der eigenen Steuerverkürzung erfasste Fälle

Eine vollendete Steuerhinterziehung (gegebenenfalls auf Zeit) liegt bereits dann vor, wenn der Steuerpflichtige die entsprechende Anmeldung nicht fristgerecht vornimmt, da es sich bei der Umsatzsteuer um eine Anmeldesteuer handelt.

Erfasst sind damit sowohl unrichtige und unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber den Finanzbehörden als auch das pflichtwidrige „In-Unkenntnis-Lassen“ der Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen sowie das pflichtwidrige Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen und Steuerstempeln.

Fazit

In Anbetracht der seit Jahren zunehmenden Verschärfungen im Bereich der Steuerhinterziehung sei vor einem leichtfertigen Umgang mit dieser Thematik gewarnt. Für den Fall, dass der Steuerpflichtige – bewusst oder unbewusst – über relevante Fakten nicht vollständig informiert hat, wird ihm das regelmäßig nicht als „Versehen“ ausgelegt werden, sondern meist dolus eventualis (bedingter Vorsatz) unterstellt. So sieht sich der Steuerpflichtige im Einzelfall rasch mit der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen Steuerhinterziehung konfrontiert. Insbesondere die Mitteilungspflicht nach § 153 AO ist weitgehend unbekannt und führt zu unschönen Überraschungen. Nach § 153 AO muss der Steuerpflichtige dem Finanzamt unverzüglich mitteilen, wenn er erkennt, dass eine von ihm abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist. Anders als bei der Selbstanzeige bedarf es für diesen Schritt keiner Aufbereitung der Zahlen, wenn dies in der Eile der Zeit nicht möglich ist. Deshalb muss der fachkundige Berater frühzeitig involviert werden, um einen potenziellen strafrechtlichen Vorwurf von vornherein zu unterbinden. Zögern Sie nicht, sich mit Ihren Fragen an uns zu wenden – je früher dies geschieht, desto effizienter können wir Sie schützen.