Geschäftsraummieter bleiben auch während Corona-bedingter Schließung von Filialen regelmäßig zur Mietzahlung verpflichtet

LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20 (nicht rechtskräftig)

Als eines der ersten Gerichte hat das Landgericht Heidelberg über die rechtlichen Auswirkungen der Corona-bedingten Betriebsschließungen für betroffene Gewerberaummietverhältnisse entschieden. Dabei bestätigt das Gericht zunächst einmal, dass behördliche Schließungsanordnungen grundsätzlich weder zum Entfall der Mietzahlungspflicht noch zu einer Mietminderung führen. Auch eine Vertragsanpassung aufgrund des sogenannten „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ sieht das Gericht im entschiedenen Fall nicht, hält insoweit jedoch eine Hintertür offen.

Der Fall:

Der Mieter – eine große Textil-Filialkette – mietet Geschäftsräume für eine Filiale zur Nutzung als „Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Ausgehend von einer vertraglich vereinbarten, stets zu zahlenden Sockelmiete von monatlich EUR 2.500 steigt die Miete abhängig vom Nettojahresumsatz der betreffenden Filiale in Stufen auf monatlich bis zu EUR 5.200. Wegen behördlich angeordneter Schließung der Filiale in der Zeit vom 17.03. bis 19.04.2020 verweigert der Mieter die Zahlung der auf diesen Zeitraum entfallenden Miete. Der Vermieter macht nach erfolgloser außergerichtlicher Zahlungsaufforderung die Miete gerichtlich geltend – mit Erfolg!

Dabei begründet das LG Heidelberg seine Entscheidung so:

  • Es liegt kein Minderungsrecht vor. Denn nach Ansicht des Gerichts ist die Mietsache als solche auch während der Corona-bedingten Schließung gleichermaßen zur Nutzung im Sinne des vereinbarten Mietzwecks geeignet wie vor dem hoheitlichen Einschreiten. Untersagt ist lediglich der Betrieb des dort ansässigen Geschäfts. Das liegt aber nicht an der Mietsache, ihrer Lage oder Beschaffenheit, sondern allein an der Art des Geschäftsbetriebs. Diese fällt in den Risikobereich des Mieters.

  • Die Corona-bedingte Schließung der Geschäftsräume betrifft ausschließlich die Nutzungstätigkeit des Mieters, nicht aber die Gebrauchsverschaffungspflicht des Vermieters. Daher liegt auch keine Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB vor, welche zum Entfall der Gegenleistungspflicht des Mieters, also der Mietzahlung führt.

  • Zwar kann nach Ansicht des Gerichts die Schließung einer Filiale durchaus zu einem „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ des betreffenden Gewerberaummietvertrages führen. Gleichwohl führt dies aber – jedenfalls im entschiedenen Fall – nicht zu einem Anspruch des Mieters gemäß § 313 BGB auf eine Anpassung des Mietvertrages mit Blick auf die zu zahlende Miete. Dies folgt insbesondere aus der zwischen den Parteien vereinbarten Risikoverteilung, die sich u. a. aus der Aufteilung der Miete in eine Sockel- und eine Umsatzmiete ergibt. Für den Mieter ist das Festhalten am unveränderten Vertrag zumutbar, da die vereinbarte Sockelmiete in jedem Fall zu zahlen ist und zwar unabhängig von der Umsatzentwicklung und daher auch bei einem Umsatz von EUR 0. Dieses Risiko geht ein Mieter bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen mithin „sehenden Auges“ ein.

  • Nach Ansicht des Gerichts kann eine Vertragsanpassung mit Mietreduzierung oder Mietausfall aber dann in Betracht kommen, wenn der Mieter eine Existenzgefährdung oder eine vergleichbare unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung nachweist. Hierfür muss der Mieter wirtschaftlich in einem solchen Ausmaß betroffen sein, dass ein weiteres Festhalten am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände unzumutbar erscheint.

PSP-Praxistipps:

Das Urteil bereitet die rechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang nachvollziehbar auf. Liegen die vom Gericht aufgestellten Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit eines Festhaltens am Vertrag vor, kann sich daraus gemäß § 313 BGB ein Anspruch auf eine angemessene Anpassung des Vertrages ergeben. Jedoch muss das nicht sofort und automatisch der endgültige Entfall der Mietzahlungspflicht sein. Vielmehr kann dies auch eine Stundung der Miete sein, also ein zeitlicher Aufschub der Fälligkeit der Miete, die aber gleichwohl weiter geschuldet bleibt. Auch damit dürfte dem Mieter zunächst geholfen sein, denn damit wahrt er Liquidität. Und auch eine solche Stundung ist eine Anpassung des Vertrages im Sinne von § 313 BGB, die den beiderseitigen Interessen der Parteien angemessen Rechnung trägt. Sollte sich nach Ablauf der Stundungsfrist dann herausstellen, dass der Mieter nach wie vor wirtschaftlich zu stark belastet ist, kann immer noch über eine Reduzierung oder einen Erlass der Miete gesprochen werden.

Die bereits wiederholt dringend empfohlene einvernehmliche und außergerichtliche Lösung zwischen den Mietvertragsparteien im obigen Sinne hat auch in Ansehung der hier besprochenen gerichtlichen Entscheidung weiterhin Bestand. Auch dem Vermieter wird schon aus eigenem Interesse regelmäßig an der dauerhaften wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters gelegen sein.

Stets gilt: Sämtliche Vereinbarungen betreffend die Höhe der Miete sowie etwa vereinbarte Stundungen, Mietreduktionen etc. sind im Rahmen eines schriftformgerechten Nachtrags zum Mietvertrag festzuhalten!