„Schenkungsteuerparadies Schweden?“ – Vollständige Steuerfreiheit bei Schenkungen und Erbfällen mit Bezug zu Schweden (noch) möglich

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Dieser Praxis-Tipp stellt dar, in welchen Konstellationen eine Schenkung oder ein Erbfall vollständig erbschaft- und schenkungsteuerfrei bleibt, selbst wenn ein Wohnsitz des Erwerbers oder Schenkers/Erblassers in Deutschland besteht. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in drei Urteilen vom 5. August 2020 (Aktenzeichen: 7 K 2777/18, 7 K 2778/18, 7 K 2779/18) dazu entscheiden.

Steuerrechtlicher Rahmen

Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) enthält eine Besonderheit, die ähnlichen Gesetzen anderer Staaten oft fremd ist. Ein Erwerb (Anteil am Nachlass oder Schenkung) ist nicht nur dann zu versteuern, wenn der Schenker/Erblasser einen Wohnsitz in Deutschland hatte, sondern auch dann, wenn der Erwerber einen Wohnsitz in Deutschland hatte. Sobald also über einen Wohnsitz nur eines Beteiligten ein Bezug zu Deutschland besteht, kann deutsche Erbschaft- oder Schenkungsteuer ausgelöst werden.

Zudem gilt: Ein Wohnsitz ist schnell begründet. Es genügt, eine Bleibe zu haben, die jederzeit aufgesucht werden kann. Es muss sich nach deutschem Recht gerade nicht um den Lebensmittelpunkt handeln; auch ein Zimmer bei Verwandten, das jederzeit genutzt werden kann, genügt.

Es liegt nahe, dass aufgrund dieser niedrigschwelligen Anknüpfungen bei Sachverhalten mit dem Bezug zu zwei Staaten schnell eine Doppelbesteuerung droht. Selbst dann, wenn der Zweiländerbezug nur in der Person des Schenkers besteht, wenn der Schenker also in Deutschland einen Wohnsitz und im Ausland seinen Lebensmittelpunkt hat, droht eine Doppelbesteuerung – in Deutschland aufgrund des Wohnsitzes, im Ausland aufgrund des Lebensmittelpunkts. Wo der Beschenkte in diesem Fall wohnt oder seinen Lebensmittelpunkt hat, ist unerheblich.

In dem genannten Fall wirken sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) der Doppelbesteuerung entgegen. Diese bilateralen, völkerrechtlichen Verträge legen fest, welchem Staat in den genannten Konstellationen tatsächlich das Besteuerungsrecht zusteht. Erreicht wird dies dadurch, dass anhand bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen festgelegt wird, wo eine Person (Schenker/Erblasser) steuerlich ansässig ist. Ist ein DBA vorhanden, dann löst der doppelte Staatenbezug keine Doppelbesteuerung aus.

Auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es allerdings nur wenige Doppelbesteuerungsabkommen, und zwar mit:

  • Dänemark

  • Schweden (hat selbst keine Erbschaft- und Schenkungsteuer mehr)

  • Griechenland

  • Österreich (hat selbst keine Erbschaft- und Schenkungsteuer mehr; das DBA wurde gekündigt und ist seit 1. Januar 2008 außer Kraft)

  • Schweiz (für alle Erbfälle und für Schenkung von Unternehmensbeteiligungen)

Urteilsfall

Vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg klagten drei Geschwister. Ihr Vater hatte ihnen 2005 Anteile an einer schwedischen Aktiengesellschaft geschenkt. Im Zeitpunkt der Schenkung hatte er unstreitig einen Wohnsitz in Deutschland sowie einen Wohnsitz und seinen Lebensmittelpunkt in Schweden. Die beschenkten Geschwister hatten keinerlei Bezug zu Deutschland, insbesondere nicht einmal einen Wohnsitz in Deutschland.

Fraglich war, ob wegen des Wohnsitzes des Schenkers in Deutschland ein Besteuerungsrecht in Deutschland bestand und daher in Deutschland Schenkungsteuer anfällt.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass das Besteuerungsrecht allein Schweden zustehe, auch wenn im Zeitpunkt der Schenkung die Schenkungsteuer in Schweden abgeschafft gewesen sei. Für den Fall, dass ein Schenker seinen Wohnsitz in Deutschland und Schweden habe, komme es für die Schenkungsteuer auf seinen Lebensmittelpunkt an, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen bestehe. Dies gelte auch dann, wenn Schweden zum Zeitpunkt der Schenkung die Schenkungsteuer bereits abgeschafft habe und es daher zu keinerlei Besteuerung komme. Dabei seien zwei Besonderheiten im Verhältnis zu Schweden zu berücksichtigen: Das DBA hat keine subject-to-tax-clause, die Deutschland das Besteuerungsrecht gesichert hätte, wenn Schweden seines nicht ausübt. – Das DBA wurde – anders als im Verhältnis zu Österreich – nicht gekündigt, obwohl die Schenkungsteuer in Schweden abgeschafft wurde.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Die Revisionen beim Bundesfinanzhof (BFH) laufen unter den Aktenzeichen II R 27/20, II R 28/20 und II R 29/20.

Fazit

Die Urteile sind zutreffend. In Fällen mit Bezug zu Schweden kann eine vollständige Steuerfreiheit erreicht werden. Da eine Anpassung des DBA (Einführung einer subject-to-tax-clause) ausscheiden dürfte, steht zu befürchten, dass das DBA alsbald einseitig von Deutschland gekündigt wird.

Praxis-Tipp

In den betroffenen Konstellationen – Schenkungen wie Erbfällen – sollten ähnlich gelagerte Fälle durch Einspruch offengehalten werden.

In begrenztem Umfang dürfte die eindeutige Rechtslage auch aktiv genutzt werden können, um Schenkungen steuerfrei zu stellen. Es ist dann aber damit zu rechnen, dass die Frage, wo der Lebensmittelpunkt besteht, vom Finanzamt intensiv geprüft werden wird. Hier gilt es, die Situation vorab gründlich prüfen zu lassen und für eine ordentliche Dokumentation zu sorgen.

Insgesamt wird zu beobachten sein, ob die vom Finanzgericht getroffenen steuerrechtliche Würdigung auf andere Doppelbesteuerungsabkommen übertragbar ist und weitere Anwendungsbereiche eröffnet. Sollte eine Vermögensteuer in Deutschland eingeführt werden, könnte sich die Frage vermehrt stellen. Die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Vermögensteuer wird Deutschland nicht vorschnell kündigen oder wird gar DBAs reaktivieren, weil sie neben der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch die Vermögensteuer betreffen.