Genussrechte als Instrument der Unternehmensfinanzierung

Das Thema Genussrechte als Instrument der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand ist in letzter Zeit insbesondere durch die sogenannte „Schwarmfinanzierung“ wieder in den Fokus gerückt. Vermittelt über Internet- Plattformen können in sehr vereinfachter Weise Genussrechte ausgegeben werden, solange bestimmte Höchstbeträge pro Anleger nicht überschritten werden. Das ermöglicht es praktisch jedem Unternehmen jeder Größenordnung, Kapital von einem breiten Anlegerpublikum und mit einem überschaubaren Einsatz pro Anleger aufzunehmen. Doch was sind Genussrechte genau und wie funktionieren sie? Der nachfolgende Beitrag gibt dazu einen Überblick.

Der Wahl der Finanzierung eines Unternehmens geht meist ein komplexer Entscheidungsprozess voraus. Rechtliche, bilanzielle und steuerliche Aspekte sind gegeneinander abzuwägen und auch der Aufwand, der für die Planung und Umsetzung einer Finanzierung zu betreiben ist, muss in die Überlegungen einfließen. Das hybride Finanzierungsinstrument Genussrecht, das sowohl Eigenschaften von Eigen- als auch Fremdkapital vereinen kann, wird dabei in der Praxis häufig als steuerliches und bilanzielles Gestaltungsmittel übersehen.

Genussrechte sind schuldrechtliche Finanzierungsmittel, die es dem Genussrechtsinhaber erlauben, am Gewinn (jedoch auch am Verlust) eines Unternehmens teilzuhaben, ohne Gesellschafter desselben oder am Willensbildungsprozess beteiligt zu sein. Weitere Rechte, wie Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung, werden damit nicht gewährt. Genussrechte können sowohl von Kapital- als auch von Personengesellschaften ausgegeben werden. Sie können verbrieft (sogenannte „Genussscheine“) oder unverbrieft begeben werden. Mangels gesetzlicher Definition besteht eine weitreichende Gestaltungsfreiheit, weshalb sie in der Praxis zu den verschiedensten Zwecken begeben werden. Für kapitalsuchende Unternehmen (insbesondere bei Rechtsformen, die nicht für den Gang an die Börse geeignet sind) können sie eine flexible Alternative zur Fremdkapitalgewährung durch Banken darstellen.

Bei „Finanzierungsgenussrechten“ wird im Regelfall eine Vergütung für die Überlassung von Kapital in Form einer anteilsmäßigen Teilnahme am Jahresgewinn der ausgebenden Gesellschaft (Emittent) gewährt. Im Wesentlichen werden Genussrechte durch folgende Merkmale bestimmt, die in Abhängigkeit von den Zielen und Bedürfnissen des Emittenten gestaltet werden können:

  • Zeitraum der Kapitalüberlassung,

  • Art und Höhe der Vergütung,

  • Verlustbeteiligung,

  • Befriedigung des Genussrechtsinhabers im Verhältnis zu anderen Kapitalgebern,

  • Beteiligung am Liquidationserlös,

  • Informations- und Kontrollrechte.

Auch bei Genussrechten muss eine Vielzahl möglicher Compliance-Pflichten vor der Ausgabe bedacht werden. Genussrechte können in den Anwendungsbereich
des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB), der Prospekt- Verordnung (Prospekt-VO) sowie des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) oder des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG) fallen und damit bestimmten Erlaubnispflichten unterliegen bzw. eine Prospektpflicht auslösen. Verbriefte Genussscheine unterliegen nach der Prospekt-VO und dem WpPG und unverbriefte Genussrechte nach dem VermAnlG grundsätzlich einer Prospektpflicht. Der Prospekt muss von der BaFin gebilligt werden, bevor die Genussrechte öffentlich angeboten werden können. Prospekt-VO, WpPG und VermAnlG regeln jedoch auch Ausnahmen von der Prospektpflicht (z. B. für die eingangs erwähnten Schwarmfinanzierungen), die im Wesentlichen auf quantitative Begrenzungen bezüglich des Ausgabebetrages bzw. Anzahl und Betrag pro Anleger abstellen. In diesem Fall ist stattdessen ein auf wenige Seiten begrenztes Wertpapier- bzw. Vermögensanlage-Informationsblatt zu erstellen. Im Vorfeld der Ausgabe von Genussrechten sollte daher genau geprüft werden, ob das Genussrecht nicht auch so ausgestaltet bzw. angeboten werden kann, dass sich die entsprechenden Pflichten in Grenzen halten.

Da Genussrechtsvereinbarungen häufig Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, unterliegen sie insoweit auch einer inhaltlichen Prüfung. Ein Gericht könnte daher auch in der Rückschau entscheiden, dass die verwendeten Klauseln im Einzelfall nicht durchsetzbar sind bzw. waren. Mangels umfassender Rechtsprechung hierzu besteht bislang eine nicht unerhebliche rechtliche Unsicherheit. Entsprechend muss bei der Ausgestaltung überlegt werden, welche Klauseln gegebenenfalls „kritisch“ sind und welches Unwirksamkeitsrisiko hier eingegangen werden soll.

Aus steuerlicher Sicht handelt es sich bei Genussrechten – zumindest nach Ansicht der Finanzverwaltung – stets um Fremdkapital. Ob die Vergütungen auf das Genussrechtskapital auf Ebene der auszahlenden Gesellschaft abzugsfähige Betriebsausgaben darstellen, hängt im Fall von Kapitalgesellschaften von der Ausgestaltung im Einzelfall ab. Wird der Genussrechtsinhaber kumulativ sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt, dürfen die auf das Genussrecht gezahlten Vergütungen den steuerlichen Gewinn nicht mindern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, sind sie steuerlich als Zinsaufwand abzugsfähig. Mangels entgegenstehender Vorschriften sollten Vergütungen auf Genussrechte von Personengesellschaften oder Einzelunternehmen bei betrieblicher Veranlassung grundsätzlich Betriebsausgaben darstellen und daher den steuerpflichtigen Gewinn der Gesellschaft mindern. Rechtsprechung oder Äußerungen der Finanzverwaltung gibt es hierzu bislang aber nicht.

Handelsbilanziell kann Genussrechtskapital je nach Ausgestaltung als Eigen- oder Fremdkapital zu bilanzieren sein. In seltenen Fällen ist es ertragswirksam zu vereinnahmen. Nach der maßgeblichen IDWStellungnahme HFA 1/1994 kann Genussrechtskapital nur dann als Eigenkapital qualifiziert werden, wenn es kumulativ

  • im Insolvenz- oder Liquidationsfall nachrangig gegenüber allen Gläubigern, deren Kapitalüberlassung nicht den Kriterien für den Eigenkapitalausweis genügt, befriedigt wird;

  • lediglich eine erfolgsabhängige Vergütung vorsieht, ein Anspruch des Genussrechtsinhabers also nur dann besteht, wenn und soweit ein ausschüttungsfähiger Bilanzgewinn im Jahresabschluss ausgewiesen oder durch Auflösung von nicht gesetzlich gegen Ausschüttung geschützten Eigenkapitalbestandteilen oder Rücklagen geschaffen werden kann;

  • bis zur vollen Höhe am laufenden Verlust beteiligt und

  • längerfristig überlassen wird, also die Rückzahlung sowohl für Emittenten als auch Genussrechtsinhaber für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen ist (regelmäßig wird hier ein Zeitraum von fünf Jahren genannt).

Bei einer Bilanzierung nach IFRS-Regeln gelten jedoch abweichende Kriterien.

Gerade die Möglichkeit der unterschiedlichen handelsbilanziellen und steuerrechtlichen Qualifizierung von Genussrechtskapital (Bilanzierung als Eigenkapital und Berücksichtigung der Vergütung als Betriebsausgabe) macht Genussrechte als Finanzierungsinstrumente für kapitalsuchende Gesellschaften so interessant. Zudem ist die Möglichkeit der Einflussnahme durch den Genussrechtsinhaber auf die Geschicke der Gesellschaft vergleichsweise gering. Wegen der steuerlichen, kapitalmarktrechtlichen, bilanziellen und AGB-rechtlichen Implikationen bedarf es jedoch einer sorgfältigen Beratung bei der Planung und Gestaltung.