Gemeindliches Vorkaufsrecht

Neues aus Gesetzgebung und Rechtsprechung

Bei der Veräußerung von Grundstücken ist stets zu beachten, ob ein gemeindliches Vorkaufsrecht besteht und ausgeübt wird. Dazu gibt es nun neuere Entwicklungen in der Gesetzgebung sowie ein Urteil, das die gemeindliche Praxis bei Vorkaufsrechten im Rahmen von Erhaltungssatzungen erheblich einschränkt.

Das Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch ermöglicht es den Gemeinden, aus städtebaulichen Gründen bei der Veräußerung von Grundstücken „zuzugreifen” und das Eigentum zu übernehmen. Die Anwendungsfälle sind in den §§ 24 und 25 BauGB aufgeführt. Hierzu zählt u. a. die Veräußerung von Grundstücken, die im Geltungsbereich von Erhaltungs- bzw. Milieuschutzsatzung liegen. Dieses Vorkaufsrecht hat erheblich an Bedeutung gewonnen, weil es zunehmend als Steuerungsinstrument gegen Wohnungsknappheit, steigende Mieten und Gentrifizierung eingesetzt wird. Damit zeigt sich es sich immer mehr als Hindernis für die Veräußerung von Immobilien, insbesondere innerhalb großer Städte wie Berlin oder München. Eine am 23.06.2021 in Kraft getretene Gesetzesänderung des Baugesetzbuchs (BauGB) hat nun die kommunalen Möglichkeiten noch erweitert.

Verlängerung der Ausübungsfrist

Mit der Gesetzesänderung ist die Ausübungsfrist für das gemeindliche Vorkaufsrecht von zwei auf drei Monate verlängert worden. Damit beträgt diese einen Monat mehr als bei privatrechtlichen Vorkaufsrechten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Zwar schöpfen die Gemeinden diese Frist nur in seltenen Fällen aus. Insbesondere die Erteilung des sogenannten Negativattests – also der gemeindlichen Erklärung, dass kein Vorkaufsrecht besteht oder ausgeübt wird – erfolgt in der Regel wesentlich schneller. Dennoch kann die Vorkaufsrechtsfrage den Ablauf einer Immobilientransaktion empfindlich verzögern. Dies ist stets zu berücksichtigen, weil der Gemeinde jeder Grundstückskaufvertrag mitzuteilen ist. Und erst wenn feststeht, dass ein Vorkaufsrecht nicht besteht oder nicht ausgeübt wird, darf das Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung vornehmen. Eine vor Abschluss des Kaufvertrages von der Gemeinde eingeholte Auskunft zum Vorkaufsrecht hilft im Zweifel nicht weiter, da sie stets unverbindlich ist.

Reduzierung des Kaufpreises auf den Verkehrswert

Die Gesetzesänderung hat weitere empfindliche Auswirkungen auf den Veräußerungserlös: Überschreitet der eigentlich vereinbarte Kaufpreis den amtlichen Verkehrswert der Immobilie, steht es nun im Ermessen der Gemeinde, den Kaufpreis auf den Verkehrswert des Grundstückes herabzusetzen. Bisher bestand diese Möglichkeit nur, wenn der Verkehrswert „deutlich“ überschritten wurde, wobei diese Grenze unklar und daher streitanfällig war. Nach der Gesetzesänderung dürfte künftig mit einer vermehrten Ausübung von gemeindlichen Vorkaufsrechten zu rechnen sein. Das Nachsehen hat dabei der Verkäufer, der im Falle der Kaufpreisreduktion zwar zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist, das eigentlich beabsichtigte Geschäft ist damit aber auch hinfällig.

Ausübung nur zum „Wohl der Allgemeinheit“

Gemeindliche Vorkaufsrechte dürfen generell nur ausgeübt werden, wenn „das Wohl der Allgemeinheit“ dies rechtfertigt. Diese zusätzliche gesetzliche Anforderung dient dem grundrechtlichen Schutz des Eigentums und der Privatautonomie. Auch hier hat der Gesetzgeber nun nachgelegt und klargestellt, dass die Vorkaufsrechtsausübung zur „Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde“ generell dem Wohl der Allgemeinheit dienen kann. Damit wird eine Art Vermutung aufgestellt, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts zu diesem Zweck zugleich auch allgemeinwohldienlich ist. Dennoch bleibt eine Einzelfallprüfung erforderlich, die auch insoweit stets eine Interessenabwägung anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls verlangt. Doch haben dabei nun die Belange des Wohnbedarfs ein höheres Gewicht. 

Einschränkung der Vorkaufsrechtsausübung bei Erhaltungssatzungen

Demgegenüber hat ein viel beachtetes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 09.11.2021 die gemeindliche Praxis Vorkaufsrechtsausübung im Rahmen von Erhaltungssatzungen nun eingeschränkt. Nach dem Urteilsspruch reicht allein die mögliche künftige Absicht einer erhaltungswidrigen Nutzung der Immobilie für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche gegenwärtige Situation der Immobilie.

Der Fall betraf ein Mehrfamilienhaus im Gebiet einer Berliner Milieuschutzsatzung. Das Bezirksamt hatte das Vorkaufsrecht ausgeübt, um der Gefahr einer Verdrängung von Teilen der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet zu begegnen. Die Behörde nahm an, dass nach der Veräußerung des Hauses die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder aber die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft würden. Das Bezirksamt wie auch die gerichtlichen Vorinstanzen waren daher der Auffassung, das Wohl der Allgemeinheit rechtfertige die Ausübung des Vorkaufsrechts, weil angesichts der zu erwartenden Nutzung eine erhaltungswidrige Entwicklung zu befürchten sei.

Anders das BVerwG: Eine bloße Befürchtung ist nach Auffassung des Gerichts nicht relevant. Vielmehr gilt hier der Ausschlussgrund des § 26 Nr. 4 BauGB: Danach ist das Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung ausgeschlossen, wenn die betreffende Immobile gegenwärtig entsprechend den Zwecken der städtebaulichen Maßgaben bebaut und genutzt ist und die Immobilie auch keine baulichen Missstände aufweist. Genau dies war hier der Fall und das ist nach Auffassung des BVerwG allein maßgeblich. Der gesetzliche Ausschlussgrund stellt eindeutig auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über das Vorkaufsrecht ab und nicht auf etwaige künftig zu erwartende Umstände. Eine Prüfung, ob zukünftig von erhaltungswidrigen Nutzungsabsichten auszugehen ist, scheidet daher aus, so das Gericht.