Bauherr sollte auf Fristsetzung durch Auftragnehmer reagieren!

Real Estate Praxistipp: OLG Celle, Urteil vom 11.10.2018, 5 U 40/18; nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH-Beschluss vom 29.01.2020, Az. VII ZR 227/18, rechtskräftig

Ein Bauvertrag erlegt nicht nur dem Auftragnehmer wesentliche Vertragspflichten auf, sondern auch dem Bauherrn. Neben der Pflicht zur Abnahme und zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung treffen diesen auch diverse Mitwirkungspflichten. Dazu kann es gehören, auf Fristsetzungen durch den Auftragnehmer (rechtzeitig) zu reagieren. Verletzt der Bauherr eine Mitwirkungspflicht, kann dies eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen. Sie kann den Auftragnehmer dazu berechtigen, den Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen – unter Umständen mit ganz erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den Bauherrn.

Der Fall:

Die Auftraggeberin beauftragt am 29.02.2012 die Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage. Der Auftragnehmer bestätigt den Auftrag am 01.03.2012 per Fax. Am 03.03.2012 erklärt die Auftraggeberin, die Auftragsbestätigung entspräche nicht den getroffenen Vereinbarungen, und es fehle die Angabe des Fertigstellungstermins. Sie will auch deshalb von dem Auftrag Abstand nehmen, weil sie glaubt, dessen Ausführung werde ihr nicht mehr die Einspeisevergütung in der kalkulierten Höhe sichern, die zum 09.03.2012 gesetzlich reduziert wird. Mit Fax vom 04.03.2012 tritt der Auftragnehmer all dem inhaltlich zutreffend entgegen. U.a. verweist er darauf, dass die Module im Volumen von rund € 308.000 bereits bestellt und von ihm vorfinanziert worden seien. Sie würden am 06.03.2012 geliefert. Gerüstbauer seien für den 05.03.2012 bestellt, eine Montagekolonne stünde am 06.03.2012 bereit. Der Netzbetreiber habe eine vorläufige Inbetriebnahme der Anlage spätestens am 08.03.2012 bestätigt. Der Auftragnehmer setzt der Auftraggeberin eine Frist für die schriftliche Zusage, dass der Auftragnehmer das Grundstücke betreten dürfe, um die Anlage wie vereinbart installieren und in Betrieb nehmen zu können. Auf dieses Fax reagiert die Auftraggeberin nicht. Am 07.03.2012 kündigt der Auftragnehmer den Werkvertrag. Er fordert von der Auftraggeberin den vollen vereinbarten Werklohn abzüglich der Aufwendungen, die er durch die vorzeitige Vertragsbeendigung erspart hat. Das OLG Celle und der BGH bejahen seinen Werklohnanspruch in Höhe von rund € 104.000.

PSP-Praxistipps:

Jedes Bauvorhaben ist ein gemeinsames Projekt beider Parteien des Bauvertrages. Das neue Bauvertragsrecht, das für alle ab dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge gilt, soll der Notwendigkeit eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens bei seiner Umsetzung verstärkt Rechnung tragen: Mit seinem Inkrafttreten haben sich deshalb auch dann, wenn die VOB/B nicht Vertragsgrundlage ist, die Mitwirkungspflichten des Bauherrn weiter erhöht:

  • So muss er z.B. nun – wenn er die Abnahme einer fertiggestellten Bauleistung wegen wesentlicher Mängel verweigern will – dem Auftragnehmer bis zum Ablauf der von diesem für die Abnahme gesetzten angemessenen Frist mindestens einen konkreten Mangel nennen; unterlässt er dies, gilt die Leistung auch ohne seine ausdrückliche Billigung als im Wesentlichen vertragsgerecht als abgenommen (fiktive Abnahme gemäß § 640 Abs. 2 BGB n.F.). Auch im Zusammenhang mit der Abnahme der Bauleistung kann ein Schweigen des Bauherrn für diesen also erhebliche Nachteile nach sich ziehen.

  • Ein weiteres Beispiel: Unabhängig davon, ob der Bauherr oder der Auftragnehmer den nach dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauvertrag gekündigt hat, kann jede Partei von der anderen deren Mitwirkung an einer gemeinsamen Leistungsstandfeststellung verlangen (§ 648a Abs. 4 BGB n.F.). Verweigert eine Partei die Mitwirkung, trifft sie die Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung, es sei denn, dass sie die unterbliebene Mitwirkung nicht zu vertreten hat und sich dazu unverzüglich erklärt.

  • Auch wenn der Bauherr die Abnahme der nach dem 01.01.2018 vereinbarten Bauleistung verweigert hat, kann der Auftragnehmer von ihm die Mitwirkung an einer gemeinsamen Zustandsfeststellung verlangen (§ 650 g BGB n.F.). Kommt der Bauherr diesem Verlangen (schuldhaft) nicht nach, kann der Auftragnehmer die Zustandsfeststellung allein durchführen. Deren Ergebnis soll dann als Vermutung gelten, deren Richtigkeit der Bauherr widerlegen muss.

  • Ein Bauherr kann nun auch nicht mehr einfach einseitig Änderungen anordnen. Vielmehr muss er zunächst 30 Tage lang versuchen, sich mit dem Auftragnehmer über Art und Umfang der gewünschten Änderung und über die Vergütung dafür zu einigen, dem Auftragnehmer dazu eine Planung vorlegen und sich mit einem darauf basierenden Angebot des Auftragnehmers befassen (§§ 650 b Abs. 1 BGB). Erst wenn eine solche Einigung nach 30 Tagen gescheitert ist, kann er die erfolglos verhandelte Änderung einseitig anordnen. Der Auftragnehmer muss sie jedoch nur ausführen, wenn ihm dies zumutbar ist (§ 650 b Abs. 2 BGB). Die Vergütung richtet sich dann nach § 650 c BGB.

Viele Rechtsfragen, die sich insbesondere auch im Zusammenhang mit den (zum Teil neuen) Mitwirkungspflichten des Bauherrn und den Anforderungen an ihre praktische Umsetzung stellen, sind derzeit noch offen. Sie werden durch die Rechtsprechung noch zu klären sein.