Coronavirus – Auswirkungen auf Rechnungslegung und Prüfung

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus fordert die Ersteller von Jahresabschlüssen und Abschlussprüfer gleichermaßen heraus.

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus scheint unaufhaltsam. Auch in Deutschland steigt die Zahl der gemeldeten Erkrankungen trotz der vieldiskutierten Vorsichtsmaßnahmen weiter an. Zunehmend ist auch die Wirtschaft in Deutschland negativ durch die dargestellten Entwicklungen beeinflusst – Börsen brechen ein, Geschäftsbeziehungen liegen teils still und Lieferketten insbesondere von und mit Unternehmen in den sog. Risikogebieten reißen ab. Diese wirtschaftlichen Auswirkungen haben auch Folgen für die Erstellung von Jahresabschlüssen und Lageberichten sowie deren Prüfung. Hinsichtlich der sachgerechten Darstellung und Verarbeitung der skizzierten Entwicklungen in der Rechnungslegung sind dabei die für die Erstellung zuständigen Unternehmensorgane sowie die Abschlussprüfer gleichermaßen herausgefordert.

Wertaufhellung oder Wertbegründung?

Zunächst ist zu beleuchten, ob die Ausbreitung des Coronavirus als sog. werterhellendes Ereignis einzustufen ist und demzufolge eine Berücksichtigung in der Bilanzierung von Vermögensgegenständen und Schulden bereits im Jahresabschluss zum 31.12.2019 sachgerecht wäre (bspw. in Form von notwendigen außerplanmäßigen Abschreibungen oder durch Bildung von entsprechenden Rückstellungen). Hierzu hat sich u.a. das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) in einem fachlichen Hinweis am 4. März 2020 entsprechend geäußert (siehe Link).

Nach Auffassung des IDW waren die Ursachen der Ausbreitung des Coronavirus und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen nicht bereits vor dem Abschlussstichtag 31.12.2019 angelegt. Zwar seien erste Infektionen bei Menschen bereits Anfang Dezember bekannt geworden; die sich derzeit abzeichnenden wirtschaftlichen Entwicklungen waren jedoch nach Auffassung des IDW erst im Laufe des Januar 2020 absehbar, sodass insofern ein wertbegründendes Ereignis in 2020 vorliegt und entsprechende Konsequenzen in der Rechnungslegung damit ggf. erst in Abschlüssen mit Stichtag nach dem 31.12.2019 zu berücksichtigen sind.

Berichterstattung im Anhang?

Damit stellt sich folglich die Frage, ob die Ausbreitung des Coronavirus und deren wirtschaftliche Folgen in die sog. Nachtragsberichterstattung im Anhang eines Jahresabschlusses zum 31.12.2019 aufzunehmen sind. Mindestens mittelgroße Kapitalgesellschaften haben nach § 285 Nr. 33 HGB über Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind und die sich in der Rechnungslegung zum Bilanzstichtag nicht niedergeschlagen haben, unter Angabe ihrer Art und ihrer finanziellen Auswirkungen zu berichten.

Die Notwendigkeit einer Nachtragsberichterstattung ist dabei höchst individuell zu beurteilen. Liegen bereits konkrete Erkenntnisse wie bspw. eingetretene Umsatzrückgänge, stark rückläufige Auftragseingänge, schwerwiegende Verluste oder eine sich bereits abzeichnende Einführung von Kurzarbeit bzw. sogar beschlossene Entlassungen zum Zeitpunkt der Abschlusserstellung vor, so sind diese Sachverhalte sicherlich im Rahmen einer Nachtragsberichterstattung aufzuführen. Bloße Befürchtungen einer negativen Entwicklung ohne entsprechend einschätzbare finanzielle Auswirkungen hingegen werden ihren Platz in der Risiko- bzw. Prognoseberichterstattung im Lagebericht finden (siehe nachfolgender Abschnitt). Dabei ist sicherlich auch zu berücksichtigen, dass bei früheren Pandemien innerhalb einer kurzen Frist regelmäßig auch entsprechende Nachholeffekte auftraten.

Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang allerdings darauf zu richten, ob unter Berücksichtigung der konkreten wirtschaftlichen Folgen eine entsprechende Unsicherheit besteht, die ggf. bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann (sog. bestandsgefährdende Risiken). Dies kann bspw. der Fall sein, wenn Unternehmensplanungen für die Folgejahre zu adjustieren sind und dadurch ggf. die Einhaltung der entsprechend in den Finanzierungsverträgen definierten Finanzkennzahlen (sog. Financial Covenants) gefährdet ist. Auch diese Sachverhalte wären im Rahmen einer Nachtragsberichterstattung anzugeben.

Für Angaben in Konzernanhängen gelten die vorstehenden Ausführungen dabei (für aus Sicht des Konzerns bedeutende Sachverhalte) entsprechend.

Angaben im Lagebericht?

In den meisten Fällen wird eine Berichterstattung über den Einfluss der Ausbreitung des Coronavirus im Rahmen des Chancen- und Risikoberichts (hier insbesondere in der Risikoberichterstattung) unausweichlich sein, da ansonsten kein zutreffendes Bild über die Risikolage des Unternehmens gezeichnet werden kann. Insbesondere wäre auch über die bereits im vorstehenden Abschnitt erläuterten bestandsgefährdenden Risiken mit Bezugnahme auf die entsprechenden Angaben im Anhang zu berichten.

Des Weiteren sind durch die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen ggf. auch die Erwartungen der Unternehmensleitung betreffend der in den Lageberichten dargestellten finanziellen (und nicht finanziellen) Leistungsindikatoren und deren voraussichtlicher Entwicklung (Unternehmensplanung) betroffen, was im Rahmen einer adjustierten Prognoseberichterstattung entsprechend zu berücksichtigen ist. Grundsätzlich sind dabei quantitative Angaben mit Trendaussagen den rein qualitativ beschreibenden Prognosen vorzuziehen. Allerdings dürfte es in vielen Fällen nicht möglich sein, bereits konkrete Prognosen bzgl. des Einflusses des Coronavirus auf die Leistungsindikatoren abzugeben. In diesem Fall der wesentlichen Beeinträchtigung der Prognosefähigkeit der Unternehmen sind anstelle konkreter Angaben zumindest komparative Prognosen unter entsprechender Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung der Leistungsindikatoren bei verschiedenen Szenarien nebst Angabe der diesbezüglichen Annahmen in die Lageberichterstattung aufzunehmen. Ein vollständiger Verzicht auf eine Prognoseberichterstattung ist – so das IDW in dem vorstehend zitierten fachlichen Hinweis – dagegen unzulässig.

Auch bezüglich der notwendigen Angaben im Konzernlagebericht gelten die vorstehenden Ausführungen (wiederum beurteilt aus Sicht des Konzerns) entsprechend.

Besondere Pflichten für den Abschlussprüfer?

Geäußert hat sich das IDW auch zu den Auswirkungen auf die Prüfung von Abschlüssen zum 31.12.2019. Demnach sind die Abschlussprüfer angehalten, die Auswirkungen des Coronavirus auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und die diesbezüglich notwendigen Angaben in Abschluss und Lagebericht sowie ggf. die bereits ergriffenen und geplanten Maßnahmen des Managements möglichst kurzfristig gemeinsam mit der Unternehmensleitung zu erörtern. Sicherlich sind dabei auch schriftliche Stellungnahmen seitens der Unternehmensleitung zu den vorgenannten Themen einzuholen und zu dokumentieren.

Zudem werden in vielen Fällen auch Kommunikationspflichten des Abschlussprüfers an die Aufsichtsorgane entstehen. Dies sei gemäß IDW insbesondere dann der Fall, wenn Auswirkungen auf den Bestätigungsvermerk zu erwarten sind oder wenn die Ausbreitung des Coronavirus ein Ereignis darstellt, das in vorstehendem Sinne bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwirft.

Im Rahmen von Konzernabschlussprüfungen sind zudem bspw. engere Abstimmungen mit den Teilbereichsprüfern vorzunehmen.

Schließlich können sich im Falle der fehlerhaften Berichterstattung in Anhang und/oder Lagebericht unter Umständen Konsequenzen für den Bestätigungsvermerk ergeben. Werden erforderliche Angaben unterlassen, kann dies zur sog. Modifizierung des Prüfungsurteils bzw. der Prüfungsurteile führen (Einschränkung). Auch bei einer bestehenden „wesentlichen Unsicherheit im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit“ ist im Bestätigungsvermerk in einem gesonderten Abschnitt zu berichten. Wäre im Extremfall aus Sicht des Abschlussprüfers die Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht mehr gegeben und würde der Abschluss dennoch unter der Going Concern-Prämisse aufgestellt, so wäre das Prüfungsurteil sogar zu versagen.

Fazit

Die wirtschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus stellen die Ersteller von Abschlüssen zum 31.12.2019 und Lageberichten für das Geschäftsjahr 2019 sowie die Abschlussprüfer gleichermaßen vor erhebliche Herausforderungen. In diesem Sinne ist eine enge Abstimmung zwischen Unternehmen und Abschlussprüfer anzuraten, um die erforderlichen Angabepflichten im Abschluss und Lagebericht sachgerecht und mit Augenmaß zu erfüllen.

Haben die Entwicklungen bzw. deren Auswirkungen voraussichtlich Einfluss auf einzuhaltende Finanzkennzahlen, so empfiehlt es sich, je nach Beurteilung des Einzelfalles, ggf. frühzeitig das Gespräch mit den finanzierenden Banken zu suchen und über Lösungswege zu beraten.