Erste Tätigkeitsstätte und lohnsteuerliche Optimierung
Die „erste Tätigkeitsstätte“ ist ein zentraler Begriff im deutschen Lohnsteuerrecht und beschreibt den Ort, an dem Arbeitnehmer ihrer Arbeit in der Regel nachgehen und beeinflusst u. a. die steuerliche Handhabung von Fahrtkosten, Dienstwagennutzung sowie Verpflegungsmehraufwendungen. Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt grundsätzlich gemäß der Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers, kann im Einzelfall – z. B. bei nicht getroffener Zuordnungsentscheidung oder bei häufig wechselnden Einsatzorten – nicht immer ganz eindeutig sein. Da die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte letztlich erhebliche Relevanz für verschiedenste Vergütungsbestandteile haben kann, sollte hier stets Klarheit herrschen.
Definition und Relevanz der Tätigkeitsstätte
Tätigkeitsstätte im lohnsteuerrechtlichen Sinne ist eine von der Wohnung des Arbeitnehmers getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die räumlich zusammengefasste Sachmittel umfasst, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Vor diesem Hintergrund kann etwa das häusliche Arbeitszimmer bzw. das Homeoffice des Arbeitnehmers keine erste Tätigkeitsstätte sein, da es keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten ist. Dies gilt gemäß der Finanzverwaltung selbst dann, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen oder mehrere Arbeitsräume anmietet, die der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind. Ob ein Co-Working-Space als betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers zu werten ist, richtet sich nach den konkreten Einzelfallumständen und hängt u. a. davon ab, ob der Arbeitgeber als Mieter auftritt und hinreichend gesicherte Verfügungsmacht über die angemieteten Räumlichkeiten hat, um den Co-Working-Space der Sphäre des Arbeitgebers zuordnen zu können.
Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte ist deshalb von lohnsteuerlicher erheblicher Bedeutung, da sie beispielsweise im Fall einer Dienstwagengestellung entscheidend für die Höhe des zu versteuernden geldwerten Vorteils bei Nutzungsüberlassung für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ist, da diese sich nach der Distanz zwischen Wohnung des Arbeitnehmers und erster Tätigkeitsstätte richtet. Gleichermaßen ist der Ort der ersten Tätigkeitsstätte relevant für die Frage, ob ggf. eine doppelte Haushaltsführung vorliegt und ob bzw. wann Auswärts- bzw. Reisetätigkeiten vorliegen, die steuerfreie Erstattungen durch den Arbeitgeber ermöglichen. Unter Berücksichtigung der nachfolgenden Erläuterungen besteht an dieser Stelle für den Arbeitgeber somit Entscheidungsspielraum, der auch zum steuerlichen Vorteil des einzelnen Arbeitnehmers ausgestaltet werden kann.
Die Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte gemäß den arbeitsvertraglichen Regelungen
Die erste Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers ist in der Regel die Tätigkeitsstätte, der die betreffende Person z. B. auf Basis arbeitsvertraglicher Regelungen dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung kann aber auch mündlich oder konkludent außerhalb des Dienst- oder Arbeitsvertrags (z. B. aus Tarifvertrag, Protokollnotizen, dienstrechtlichen Verfügungen, Einsatzplänen, Reiserichtlinien, etc.) erfolgen und muss zwar nicht, sollte aber dokumentiert werden. Dabei genügt es für die Zuordnungsentscheidung, wenn der Arbeitnehmer in der vorgesehenen Einrichtung zumindest in ganz geringem Umfang (z. B. auch in Form von Hilfs- und Nebentätigkeiten) seine arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten erbringen soll. Auf die Qualität des Tätigwerdens oder ob am entsprechenden Ort der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit liegt, kommt es dann nicht mehr an.
Für die Zuordnung ist im Ergebnis entscheidend, ob der Arbeitnehmer bei einer in die Zukunft gerichteten Prognose nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen an der bestimmten betrieblichen Einrichtung dauerhaft tätig werden soll. Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind die unbefristete Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung, die Zuordnung für die gesamte Dauer des – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses oder die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.
Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse wie etwa Krankheit, politische Unruhen am Tätigkeitsort, Insolvenz des Kunden o. ä., von der ursprünglichen Prognose der dauerhaften Zuordnung ab, bleibt die zuvor getroffene Prognoseentscheidung auch nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Vergangenheit bezüglich des Vorliegens der ersten Tätigkeitsstätte maßgebend.
Die erste Tätigkeitsstätte bei Entsendungen
Wird ein Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung zwischen verbundenen Unternehmen ohne Abschluss eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dieses Unternehmens tätig, liegt beim aufnehmenden (Konzern-)Unternehmen eine erste Tätigkeitsstätte nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer vom entsendenden Unternehmen einer ortsfesten Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens unbefristet zugeordnet ist, die Zuordnung die Dauer des gesamten – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses umfasst oder die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinausreicht.
Wird jedoch der heimische Arbeitsvertrag ruhend gestellt und ein eigener Arbeitsvertrag mit dem aufnehmenden ausländischen (Konzern-)Unternehmen abgeschlossen, ist der entsendete Mitarbeiter in das aufnehmende Unternehmen organisatorisch und hierarchisch eingegliedert und ggf. auf Basis des Arbeitsvertrages mit dem ausländischen (Konzern-)Unternehmen dessen betrieblicher Einrichtung im Ausland zugeordnet, verlagert sich die erste Tätigkeitsstätte nach Auffassung der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung zu der betrieblichen Einrichtung des aufnehmenden
(Konzern-)Unternehmens. Dies kann insbesondere bei arbeitgeberseitigen Leistungen im Zusammenhang mit einer etwaigen doppelten Haushaltsführung und/oder Reisekostenvergütungen erhebliche Unterschiede machen.
Die Ermittlung der ersten Tätigkeitsstätte bei fehlender oder unklarer arbeitsvertraglicher Zuordnung
Für den Arbeitgeber besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, jeden Mitarbeiter einer festen betrieblichen Einrichtung zuzuordnen. Es kann vielmehr auch bewusst auf eine solche Zuordnungsentscheidung verzichtet werden. Mitunter kann die Zuordnungsentscheidung aber auch unklar bzw. uneindeutig formuliert oder getroffen worden sein. In diesen Fällen ist die erste Tätigkeitsstätte grundsätzlich anhand quantitativer Zuordnungskriterien zu ermitteln. So ist von einer ersten Tätigkeitsstätte an der betrieblichen Einrichtung auszugehen, an der der Arbeitnehmer
typischerweise arbeitstäglich oder
je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens 1/3 seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit dauerhaft tätig werden soll.
Dabei gilt, dass der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben muss. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, z. B. zur Vorbereitung der Zustellroute, zur Wartung und Pflege des Fahrzeugs, zur Abholung oder Abgabe von Kundendienstfahrzeugen o. ä., führt hier noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte.
Auch die vorgenannten quantitativen Kriterien sind anhand einer in die Zukunft gerichteten Prognose zu beurteilen. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse (wie z. B. Krankheit) hiervon ab, bleibt es bei der zuvor getroffenen Prognoseentscheidung. Die Prognose ist dabei zu Beginn des Dienstverhältnisses zu treffen und bleibt so lange bestehen, bis sich die Verhältnisse maßgeblich ändern. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sich das Berufsbild des Arbeitnehmers dauerhaft ändert oder der Arbeitgeber erstmalig eine dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung trifft.
Bei der quantitativen Prüfung kommt es somit allein auf den Umfang der an der Tätigkeitsstätte zu leistenden arbeitsvertraglichen Arbeitszeit an. Dies bedeutet:
Soll der Arbeitnehmer an einer Tätigkeitsstätte zwei volle Arbeitstage je Arbeitswoche oder mindestens 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden, dann ist dies die erste Tätigkeitsstätte.
Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer an einer Tätigkeitsstätte arbeitstäglich und mindestens 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Soll der Arbeitnehmer an einer Tätigkeitsstätte arbeitstäglich, aber weniger als 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden, dann führt dies nur zu einer ersten Tätigkeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer dort typischerweise arbeitstäglich seine eigentliche berufliche Tätigkeit und nicht nur Vorbereitungs-, Hilfs- oder Nebentätigkeiten durchführen soll.
Erfüllen danach mehrere Tätigkeitsstätten die quantitativen Voraussetzungen für eine erste Tätigkeitsstätte, kann der Arbeitgeber bestimmen, welche dieser Tätigkeitsstätten die erste Tätigkeitsstätte ist. Der Arbeitnehmer kann je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben.
Fehlt eine solche Bestimmung des Arbeitgebers, wird zugunsten des Arbeitnehmers die Tätigkeitsstätte zugrunde gelegt, die der Wohnung des Arbeitnehmers am nächsten liegt.
Fazit
Die korrekte Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte ist von entscheidender Bedeutung, um steuerliche Risiken im Rahmen der Lohnabrechnung zu minimieren. Neben der Vermeidung von Risiken bietet das Konzept der ersten Tätigkeitsstätte aber insbesondere etwa bei örtlich wechselnd tätigen Arbeitnehmern oder an verschiedenen Betriebsstätten tätigen leitenden Angestellten erhebliches lohnsteuerliches Gestaltungs- und Optimierungspotenzial. Wir unterstützen Sie sowohl bei unklaren Fällen gerne bei der Identifikation der ersten Tätigkeitsstätte sowie der lohnsteuerlich optimalen Entscheidung über die örtliche Zuordnung Ihrer Mitarbeiter.