Geleistete Anzahlungen sind kein schädliches Verwaltungsvermögen (und keine Finanzmittel)

Gute Neuigkeiten bei Schenkungen und Erbfällen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Urteil v. 01.02.2023, II R 36/20 entschieden, dass geleistete Anzahlungen zumindest dann kein steuerpflichtiges Verwaltungsvermögen sind, wenn sie nicht für den Erwerb von Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens geleistet wurden. Das Urteil ist auch auf das aktuelle Recht und damit auf Finanzmittel anwendbar.

Rechtlicher Rahmen

Bei Schenkungen und Erbschaften von unternehmerischem Vermögen kann von der sog. Betriebsvermögensbegünstigungen der § 13a, 13b ErbStG Gebrauch gemacht werden. Diese Regelungen ermöglichen unter der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen eine bis zu 100 % steuerfreie Übertragung des Unternehmens. Eine wesentliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist eine möglichst niedrige Verwaltungsvermögensquote. Das Überschreiten einer Verwaltungsvermögensquote von 90 % („90%-Test“) führt zu einer Versagung der gesamten Betriebsvermögensbegünstigung; für die volle Begünstigung der Unternehmensanteile darf die Verwaltungsvermögensquote eine Grenze von 20 % nicht überschreiten. Die Verwaltungsvermögensquote ergibt sich im Wesentlichen aus einem (modifiziert berechneten) Verhältnis von Verwaltungsvermögen zum Unternehmenswert. Selbst wenn diese Hürden genommen werden, ist das Verwaltungsvermögen, das nicht durch Verbindlichkeiten neutralisiert wird, stets steuerpflichtig.

Mit anderen Worten: Welche Positionen zum Verwaltungsvermögen gerechnet werden, ist von erheblicher Bedeutung. Zum Verwaltungsvermögen zählen nicht unternehmensintern überlassene Grundstücke, Anteile an Kapitalgesellschaften bei einer Beteiligung unter 25 %, Kunstgegenstände, Gold, Oldtimer, Yachten, Wertpapiere sowie – in Form der sog. „Finanzmittel“ – Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und sog. „andere Forderungen“.

Der Urteilsfall

Im Urteilsfall wurden Anteile an einer GmbH schenkweise übertragen. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens setzte das Finanzamt dabei Anzahlungen auf einen Verwaltungsneubau sowie Anzahlungen in Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb als Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG alter Fassung fest. Das Finanzamt begründet seine Entscheidung damit, dass geleistete Anzahlungen als „andere Forderungen“ einzustufen seien; dieser Begriff sei nicht auf Geldforderungen beschränkt.

Die Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH seien mit „anderen Forderungen“ – eine Formulierung, die sich heute gleichermaßen im Gesetz findet und steuerschädliches Verwaltungsvermögen (Finanzmittel) beschreibt – insbesondere Forderungen, die auf Zahlungsmittel gerichtet sind und damit Geldforderungen, zu verstehen. Geleistete Anzahlungen seien nach Auffassung des BFH jedoch Sach- und Dienstleistungsansprüche. Sachleistungsansprüche und damit auch geleistete Anzahlungen seien zumindest dann kein schädliches Verwaltungsvermögen, wenn diese Ansprüche auf Wirtschaftsgüter gerichtet wären, die selbst kein Verwaltungsvermögen darstellen. Explizit sind also geleistete Anzahlungen z. B. auf ein eigenbetrieblich genutztes Gebäude, Einrichtung einer Software oder Ähnliches nicht Verwaltungsvermögen.

Explizit offen gelassen hat der BFH jedoch die Frage, ob Anzahlungen, die auf Wirtschaftsgüter gerichtet sind, die nach ihrer Fertigstellung schädliches Verwaltungsvermögen darstellen (z. B. für eine Yacht oder ein drittvermietetes Grundstück), als schädliches Verwaltungsvermögen einzuordnen sind.

Praxis-Tipp

Nachdem der Verwaltungsvermögenskatalog des § 13b ErbStG in der Vergangenheit aus Angst vor steuerlichem Missbrauch immer enger geschnürt worden war, ist das aktuelle BFH-Urteil sehr erfreulich. Der BFH betont im vorliegenden Urteil sogar, dass allein die Missbrauchsgefahr nicht ausschlaggebend für die Auslegung der Rechtsbegriffe sein kann.

Der BFH schränkt mit diesem Urteil die – unseres Erachtens zu weitgehende – Auslegung der Finanzverwaltung aus den Richtlinien ein, dass geleistete Anzahlungen (z. B. auf ein neues firmenintern genutztes Verwaltungsgebäude oder eine neue Produktionsmaschine) sog. „sonstige auf Geld gerichtete Forderungen“ darstellen und ermöglicht damit eine sinnvolle Abmilderung des harten Stichtagsprinzips.

Da das BFH-Urteil unseres Erachtens auch auf den aktuellen § 13b Abs. 2 Nr. 5 ErbStG Anwendung findet, sollte in allen offenen Fällen Einsprüche eingelegt werden. Zudem ist dringend zu empfehlen, zu prüfen, ob geleistete Anzahlungen in der Bilanz und daraus folgend auch steuerlich korrekt erfasst wurden.

Für die Fälle, bei denen die geleisteten Anzahlungen auf Sachleistungsansprüche gerichtet sind, die selbst Verwaltungsvermögen darstellen, empfehlen wir ebenfalls über den Weg des Einspruchs unter Verweis auf dieses Urteil eine Klärung der offen gebliebenen Frage herbeizuführen. Unser Team an Experten für Finanzgerichtsverfahren unterstützt Sie dabei gerne.

Ausblick

Das Urteil beschäftigt sich erfreulicherweise mit dem Zweck – und nicht allein mit dem Wortlaut – der Normen der Steuerbefreiung für Unternehmensvermögen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Ansatz neben der Wortlautauslegung zusätzliche Beachtung findet. So könnten auch andere Fälle von „Nicht-Finanzmitteln“ – z. B. Lebensversicherung – eine korrekte Einordnung als unschädliches Vermögen erfahren. Dazu steht zu hoffen, dass sich der BFH bei der noch offenen und bald von ihm zu klärenden Frage, ob der eingangs erwähnte 90%-Test in bestimmten Fällen nicht zum Einsatz kommt, auf die „richtige“ Seite schlagen wird.