Neue Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI 2021)

Real Estate Praxistipp: BGBl. 2020 Teil I Nr. 58 vom 07.12.2020, Seite 2636 - 2642

Mit Urteil vom 04.07.2019 hatte der Europäische Gerichtshof die HOAI 2013 für unanwendbar erklärt, weil sie für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren verbindliche Honorare vorschrieb und damit gegen Art. 15 der EU-Dienstleistungsrichtlinie RL 2006/123/EG (DLRL) vom 12.12.2006 verstieß.

(siehe hierzu den PSP-Praxistipp vom 09.09.2019)

Darauf hat der deutsche Gesetzgeber vergleichsweise schnell reagiert. Bereits am 01.01.2021 trat die Erste Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 02.12.2020 (HOAI 2021) in Kraft. Sie enthält keine verbindlichen Vorgaben mehr für die Bemessung der Vergütung von Architekten und Ingenieuren. Für Architekten- und Ingenieurverträge, die seit dem 01.01.2021 abgeschlossen werden, gilt deshalb nun Folgendes:

 

  • Der neu gefasste § 1 HOAI 2021 („Anwendungsbereich“) stellt klar, dass die HOAI alle in ihr angesprochenen Leistungen erfasst, unabhängig davon, ob sie von eingetragenen Architekten und Ingenieuren oder von sonstigen Personen erbracht werden. Für die Anwendung der HOAI kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die Leistungserbringer in Deutschland ansässig sind oder nicht und ob die Leistungen vom Inland aus erbracht wurden.

  • Nach § 1 HOAI 2021 können die Parteien deren Regelungen zur Berechnung der Vergütung für Ingenieur- und Architektenleistungen nutzen, müssen dies aber nicht. Die neue Unverbindlichkeit der HOAI gestattet es den Parteien insbesondere, statt dessen z.B. ein Pauschalhonorar, beliebige Zu- und Abschläge Basishonorar nach der HOAI, eine zeitabhängige Vergütung etwa auf der Basis von Stundensätzen oder auch ein Erfolgshonorar frei zu vereinbaren.

  • Derartige Honorarvereinbarungen wirksam zu treffen, wurde erheblich vereinfacht:

    • Anders als nach den früheren Fassungen der HOAI bedarf die Honorarvereinbarung nicht mehr der Schriftform. Vielmehr reicht es aus, wenn die Parteien sie in Textform im Sinne des § 126b BGB treffen, also durch Abgabe korrespondierender Erklärungen etwa per Fax oder auch per E-Mail.

    • Es ist auch nicht mehr erforderlich, die Vergütung bereits „bei Auftragserteilung“ zu vereinbaren. Die Honorarvereinbarung kann vielmehr jederzeit, also auch erst im späteren Verlauf der Vertragsbeziehung abgeschlossen oder angepasst werden.

  • Einen verbindlichen Honorarrahmen gibt die HOAI 2021 nicht mehr vor. Beschränkt wird die Vertragsfreiheit nur noch durch die Verbote eines Verstoßes gegen die guten Sitten und insbesondere des Wuchers. Ein derartiger Verstoß setzt aber zusätzlich zu einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die Ausnutzung einer beim Vertragspartner bestehenden Schwäche voraus und wird daher nur selten zu bejahen sein.

  • Ist der Auftraggeber Verbraucher, hat der Auftragnehmer ihn vor der auftraggeberseitigen Vertragserklärung (nur) zur Honorarvereinbarung (nicht zum Architektenvertrag als solches) in Textform darauf hinzuweisen, dass auch ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln der HOAI 2021 bezifferten Beträge vereinbart werden kann. Tut er das nicht oder nicht rechtzeitig, gilt statt eines in der Vereinbarung genannten höheren Honorars lediglich ein solches in Höhe des Basishonorars als vereinbart.

  • Nur dann, wenn ausnahmsweise keine Honorarvereinbarung getroffen wurde, gilt der jeweilige Basishonorarsatz als vereinbart, der sich bei Anwendung der in § 6 HOAI 2021 beschriebenen Honorargrundlagen ergibt, allerdings nur für die Grundleistungen. Besondere Leistungen sind bei Fehlen einer Honorarvereinbarung dagegen nur zu vergüten, wenn sie den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind (§ 632 Abs. 1 BGB).

PSP-Praxistipps:
  • Auch für Architekten- und Ingenieurverträge, die bereits vor dem 01.01.2021 abgeschlossen wurden, können jetzt noch Honorarvereinbarungen geschlossen oder angepasst werden.

  • Wurde vor dem 01.01.2021 zwar eine Honorarvereinbarung getroffen, geschah dies aber nach altem Recht nicht formwirksam oder nicht rechtzeitig, sollte diejenige Vertragspartei, die aus der Vereinbarung Rechte für sich herleiten will, prüfen, ob nach dem 01.01.2021 in Textform (z.B. im Verlauf eines Schriftwechsels oder im Wege von E-Mail-Korrespondenz, durch Bezugnahme auf die Honorarvereinbarung in Abschlagsrechnungen oder bei der Angabe des Verwendungszwecks bei Überweisungen) Erklärungen abgegeben wurden, aus denen sich das Zustandekommen einer nachträglichen (nach neuem Recht form- und fristgerechten) Vergütungsvereinbarung herleiten lässt.

  • Unterlässt es der Auftragnehmer (der Architekt), einen Verbraucher auf die Möglichkeit der Vereinbarung eines unter dem Basishonorarsatz liegenden Honorars hinzuweisen, kann dies die schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht darstellen. Dies kann dazu führen, dass der Auftraggeber (der Verbraucher) so zu stellen ist, wie er stünde, wenn der Hinweis rechtzeitig erteilt worden wäre. Um auf diesem Wege eine Herabsetzung der Vergütung zu erreichen, muss der Auftraggeber allerdings den Nachweis führen, dass er den Vertrag nach Erteilung des Hinweises so nicht abgeschlossen hätte.

  • Die konkreten Anforderungen an Form und Inhalt des Hinweises und der Bestätigung der Kenntnisnahme davon durch den Verbraucher (auch unter AGB-rechtlichen Aspekten) bedürfen noch der Klärung durch die Rechtsprechung.