LG München I bejaht Mietminderung wegen Corona-bedingter Geschäftsschließung

Überraschendes Urteil zugunsten gewerblicher Mieter während der Corona-Krise – Berufungsurteil steht aber noch aus

Abweichend von der bisher zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung anderer Landgerichte sieht das Landgericht München I in den behördlich angeordneten Geschäftsschließungen während des ersten Lockdown einen Mietmangel, der den Mieter zur Mietminderung berechtigt. Es ist jedoch unklar, ob das Urteil in den weiteren Instanzen Bestand behält. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es wurde bereits Berufung eingelegt

Gegenstand des Urteils ist ein Mietverhältnis über Geschäftsräume in der Münchener Innenstadt. Der Mieter war während der Monate April, Mai und Juni 2020 von den im Rahmen der Corona-Krise behördlich angeordneten Schließungen insoweit betroffen, als er sein Geschäft für Möbel und Wohnaccessoires zunächst ganz schließen musste und dann nur eine erheblich beschränkte Anzahl an Kunden hineinlassen durfte. Für die Dauer der Maßnahmen hat der Mieter eine Mietminderung geltend gemacht.

Das Gericht gibt dem Mieter dem Grunde nach Recht und setzt sich damit in Widerspruch zu Entscheidungen anderer Landgerichte, die in diesem Zusammenhang bereits ergangen sind. Außerdem soll nach Ansicht des Landgerichts München I hier die höchstrichterlich anerkannte Risikoverteilung in gewerblichen Mietverhältnissen nicht gelten.

Zur Begründung zieht das Gericht u.a. vier Entscheidungen des Reichsgerichts aus den Jahren 1913 bis 1917 zu Gewerbeverboten während des 1. Weltkriegs heran. Seinerzeit waren entsprechende Verbote als Mietmangel angesehen worden, da sie die Nutzbarkeit der Mietsache zu dem vertraglich vereinbarten Zweck aufhoben. Dem hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in der Folgezeit jedoch nicht angeschlossen. Vielmehr hat der BGH zwischenzeitlich wiederholt – zuletzt etwa im Jahre 2011 zum Rauchverbot in Gaststätten – ausdrücklich entschieden, dass solche Beschränkungen gerade kein Mangel der Mietsache sind. Denn die Verbote haben ihre Ursache nicht in der Beschaffenheit der Mietsache, worauf es aber entscheidend ankommt.

Dem entspricht auch die gesetzlich vorgenommenen Risikoverteilung zwischen den Parteien gewerblicher Mietverhältnisse.

Andere Gerichte haben bereits anders entschieden

Soweit ersichtlich, geht die bisherige Rechtsprechung der Landgerichte zu den Corona-bedingten Schließungsanordnungen ebenfalls in diese Richtung. So hat etwa das LG Heidelberg (Urt. v. 30.07.2020, Az. 5 O 66/20) Mietminderungen ausdrücklich abgelehnt,  vgl. hierzu den PSP-Praxistipp vom 29. September 2020. Es folgten vergleichbare Entscheidungen des LG Frankfurt a. M. (Beschl. V. 07.08.2020, Az. 2-05 O 160/20) und des LG Zweibrücken (Urt. v. 11.09.2020, Az. HK O 17/20), die jeweils Mietminderungen verneint haben.

Die Mietfläche ist nicht fehlerhaft

Corona-bedingte Schließungsanordnungen lassen die Beschaffenheit der Mietfläche grundsätzlich unberührt. Vielmehr betreffen die behördlichen Beschränkungen in erster Linie das konkrete Geschäft des Mieters – und haben auch ihre Ursache darin: Umfang und Dauer der Geschäftsschließungen richten sich wesentlich nach der Art des Geschäfts (etwa Apotheken und Supermärkte einerseits, Bekleidungsgeschäfte andererseits). Die erfolgreiche Aufrechterhaltung des Geschäfts fällt aber grundsätzlich in den Risikobereich des Mieters. Demgegenüber ist der Vermieter dafür verantwortlich, dass die Mietfläche von einer solchen Beschaffenheit ist (und bleibt), dass die vertragliche Nutzung möglich ist. Das ist bei behördlichen Geschäftsschließungen aber der Fall, sofern diese nicht gerade auf der Beschaffenheit der Mietfläche beruhen, z.B. auf Baumängeln.

Empfehlung weiterhin: Unbedingt bilaterale Vereinbarungen treffen!

Ob die von dem Landgericht München I vertretene Rechtsauffassung Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon verbleibt es bei der Empfehlung an beide Parteien gewerblicher Mietverhältnisse, frühzeitig bilaterale Vereinbarungen über die Mietzahlung während der Corona-Krise zu treffen. Auch Vermietern dürfte regelmäßig daran gelegen sein, langfristig die Zahlungsfähigkeit ihrer Mieter zu bewahren und Kündigungen zu vermeiden. Darum gilt es, einvernehmlich unter Wahrung der beiderseitigen Interessen durch die Krise zu kommen!