Mitarbeitereinsatz im Ausland: Lohnsteuer und Sozialversicherung
Örtlich und zeitlich flexible Arbeitskonzepte gewinnen weiter an Bedeutung. Neben dem Wunsch vieler Arbeitnehmer nach einer Flexibilisierung ihres Arbeitsalltags führen auch die fortschreitende Digitalisierung und der Fachkräftemangel dazu, dass Arbeitgeber es nicht mehr als zwingende Voraussetzung begreifen, dass ihre Mitarbeiter vor Ort am Unternehmenssitz arbeiten. Aber auch betriebliche Erwägungen machen es oftmals notwendig, dass die eigenen Mitarbeiter grenzüberschreitend tätig werden; sei es beispielsweise bei einem im Ausland ansässigen Kunden oder einem im Ausland ansässigen Konzernunternehmen. Für den deutschen Arbeitgeber gilt es dabei sowohl im Inland als auch im Ausland einiges zu beachten. Insbesondere sollte im Vorfeld geklärt sein, ob deutsche Lohnsteuer und gegebenenfalls Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind oder unter welchen Voraussetzungen hierauf – gegebenenfalls teilweise – verzichtet werden darf. Die Finanzverwaltung hat hierzu jüngst mit einer überarbeiteten Verlautbarung Stellung genommen.
Grundsätzliche Lohnsteuerabzugsverpflichtung auch bei im Ausland tätigen Mitarbeitern
Deutsche Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter z. B. im Wege einer Entsendung in verschiedenen Ländern einsetzen, sollten sich frühzeitig die Frage stellen, welches Land das Recht zur Besteuerung an dem erwirtschafteten Arbeitseinkommen des betreffenden Arbeitnehmers hat und wie sich diese Tatsache auf den deutschen Lohnsteuerabzug auswirkt. Dabei gilt grundsätzlich, dass ein deutscher Arbeitgeber auch dann weiterhin zum Einbehalt deutscher Lohnsteuer verpflichtet ist, wenn ein betreffender Arbeitnehmer im Ausland tätig ist und Deutschland gegebenenfalls gar kein Besteuerungsrecht an dem erzielten Arbeitslohn zusteht. Der Arbeitgeber sollte weiterhin erst dann den deutschen Lohnsteuerabzug einschränken oder gegebenenfalls gänzlich unterlassen, wenn er seitens des zuständigen Betriebsstättenfinanzamts eine entsprechende antragsgebundene Freistellungsbescheinigung erhalten hat. Im Rahmen dieses Antrags ist üblicherweise bereits zu ermitteln, in welchem Umfang das Arbeitsentgelt (voraussichtlich) nicht (mehr) dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen wird. Es bedarf somit einer näheren Prüfung, ob und in welchem Umfang eine Steuerfreiheit nach dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (sofern vorhanden) greift und wie die hieraus resultierenden Konsequenzen im Lohnsteuerabzugsverfahren umzusetzen sind.
Ermittlung des steuerfreien und des steuerpflichtigen Arbeitslohns
Im Allgemeinen gilt nach den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, dass das Besteuerungsrecht an den Einkünften aus einer unselbstständigen Arbeit grundsätzlich dem Staat zusteht, in dem die Arbeitstätigkeit ausgeübt wird (Tätigkeitsortprinzip). Abweichend davon steht dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das alleinige Besteuerungsrecht zu, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
Der Arbeitnehmer hält sich nicht länger als 183 Tage im Kalenderjahr (manche Doppelbesteuerungsabkommen stellen auf das Steuerjahr oder einen rollierenden Zwölf-Monats-Zeitraum ab) im jeweiligen Tätigkeitsstaat auf bzw. wird die Tätigkeit an nicht mehr als 183 Tagen im jeweiligen Tätigkeitsstaat ausgeübt,
der den Arbeitslohn tragende Arbeitgeber ist nicht im Tätigkeitsstaat ansässig und
der Arbeitslohn wird nicht von einer Betriebsstätte oder sonstigen festen Einrichtung getragen, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat unterhält.
In Entsendungsfällen über einen befristeten – weniger als 183 Tage andauernden – Zeitraum verbleibt das Besteuerungsrecht damit allein beim jeweiligen Ansässigkeitsstaat, wenn der Arbeitgeber dort noch keine Betriebsstätte unterhält und die entsendete Person im Tätigkeitsstaat im Zuge ihrer Tätigkeit dort keine Betriebsstätte begründet. Es sollte daher vorab zwingend auch im jeweiligen Entsendungsstaat nach nationalem Recht geprüft werden, ob der Aufenthalt des betreffenden Mitarbeiters gegebenenfalls abweichend zu der Begründung einer Betriebsstätte führt und wie diese Regelungen im Verhältnis zu den Regelungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens wirken.
Ist der gezahlte Arbeitslohn im Inland teilweise steuerfrei, so hat der Arbeitgeber für den Lohnsteuerabzug zunächst den im jeweiligen Zeitraum direkt – d. h. der Tätigkeit im Inland oder der Tätigkeit im Ausland – zuordenbaren Arbeitslohn zu ermitteln und entsprechend als steuerfrei oder steuerpflichtig zu behandeln. Der verbleibende nicht direkt zuordenbare Arbeitslohn ist sodann nach den im In- und Ausland verbrachten tatsächlichen Arbeitstagen innerhalb des jeweils maßgeblichen Zeitraums (in der Regel das Kalenderjahr) aufzuteilen.
Als der Auslandstätigkeit direkt zuordenbare Zuwendungen qualifiziert die Finanzverwaltung beispielsweise:
Orientierungsreisen, um der zu entsendenden Person einen Einblick in die Lebensbedingungen am Arbeitsort zu geben,
Aufwendungen für Visa und Aufenthaltsgenehmigungen,
Aufwendungen für Sprachunterricht oder interkulturelles Training sowie
Aufwendungen für die medizinische Vorsorge oder sonstige Hilfestellungen (z. B. Wohnraumbeschaffung, Eröffnung von Bankkonten).
Da im laufenden Lohnsteuerabzugsverfahren naturgemäß noch ungewiss ist, wie viele Arbeitstage die entsandte Person tatsächlich ableisten wird, lässt die Finanzverwaltung zur Erstellung der monatlichen Lohnabrechnungen die folgenden Vorgehensweisen zu, wobei unterjährig zwischen den verschiedenen Verfahren nicht gewechselt werden darf:
Im Wege einer Prognose werden die voraussichtlichen tatsächlichen Tage im In- und Ausland ermittelt und ins Verhältnis zu den voraussichtlichen Gesamtarbeitstagen des Beschäftigungszeitraums innerhalb des Kalenderjahres gesetzt. Die bereits bekannten Urlaubs- und Krankheitstage dürfen bei der Ermittlung der voraussichtlichen Gesamtarbeitstage berücksichtigt werden. Die so ermittelte Aufteilung darf dann für den Lohnsteuerabzug in den einzelnen Kalendermonaten zugrunde gelegt werden.
Alternativ können die tatsächlichen Arbeitstage des einzelnen Kalendermonats für die Aufteilung herangezogen werden.
Alternativ können pauschal 20 Arbeitstage je Kalendermonat im In- und Ausland angesetzt werden und diese mit den tatsächlichen Arbeitstagen im In- und Ausland ins Verhältnis gesetzt werden.
Alternativ können auch die pauschal angesetzten 20 Arbeitstage je Kalendermonat für die Aufteilung des Arbeitslohns herangezogen werden.
Alternativ werden die für den Kalendermonat vereinbarten Arbeitstage im In- und Ausland mit den tatsächlich ausgeübten Arbeitstagen im Ausland ins Verhältnis gesetzt.
Insgesamt gilt dabei, dass wenn sich die Prognose für die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage in einem Kalendermonat ändert, der neu ermittelte Aufteilungsmaßstab ab diesem Kalendermonat anzuwenden ist.
Die Zuordnung sonstiger Bezüge
Kann ein sonstiger Bezug (z. B. projektbezogene Sondervergütung für die Tätigkeit im In- oder Ausland) direkt dem steuerfreien oder dem steuerpflichtigen Teil der Tätigkeit zugeordnet werden, erfolgt auch im Lohnsteuerabzugsverfahren eine vollständige Steuerfreistellung oder eine vollständige Besteuerung im Inland. Ist eine direkte Zuordnung nicht möglich (z. B. für Urlaubs- oder Weihnachtsgeld oder Bonuszahlung für mehrjährige Tätigkeit), ist eine Aufteilung nach den vorstehenden Grundsätzen vorzunehmen. Die Aufteilung erfolgt dabei zwar im Jahr des Zuflusses. Maßgeblich hierbei sind aber die Verhältnisse im jeweiligen Erdienungszeitraum.
Die Zuordnung durch den Arbeitgeber übernommener Steuerberatungskosten
Die Übernahme von Steuerberatungskosten durch den Arbeitgeber (insbesondere zur Erstellung der Einkommensteuererklärungen im Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat) führt nach Auffassung der Finanzverwaltung in der Regel zum Zufluss eines geldwerten Vorteils in Höhe der tatsächlichen Kosten inklusive Umsatzsteuer. Der in diesem Zusammenhang zugeflossene Arbeitslohn ist dabei grundsätzlich dergestalt direkt zuzuordnen, dass die Kosten für die Einkommensteuererklärung im (bisherigen) Ansässigkeitsstaat ausschließlich der dortigen Tätigkeit und die Kosten für die Einkommensteuererklärung im Tätigkeitsstaat ausschließlich der dortigen Tätigkeit zuzurechnen sind. Erfolgt die Übernahme der Steuerberatungskosten allerdings im ausschließlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der im In- oder Ausland ausgeübten Tätigkeit (z. B. aufgrund ausdrücklicher und auf die Dauer der Entsendung beschränkter Vereinbarung im Entsendevertrag), ist der hieraus resultierende Lohn ausschließlich dieser Tätigkeit zuzuordnen.
Übernimmt der Arbeitgeber dagegen Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung eines Arbeitnehmers, mit dem eine Nettolohnvereinbarung abgeschlossen wurde, wendet der Arbeitgeber regelmäßig nur Arbeitslohn zu, soweit andere Einkunftsarten als die Kosten den aus dem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber oder verbundenen Unternehmen erzielten Einkünften zuzuordnen sind. Wird für die Steuerberatungskosten eine angemessene pauschale Vergütung je Arbeitnehmer vereinbart, bestehen seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich keine Bedenken, wenn aus Vereinfachungsgründen auf die Erfassung der anteilig den anderen Einkunftsarten (z. B. Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung) zuzuordnenden Steuerberatungskosten verzichtet wird.
Überprüfung der im Kalenderjahr durchgeführten Lohnabrechnungen
Die Finanzverwaltung verlangt, dass der Arbeitgeber den innerhalb eines Kalenderjahres durchgeführten Lohnsteuerabzug am Ende des Kalenderjahres oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses überprüft und bei etwaigen Abweichungen (z. B. aufgrund der Kenntnis der tatsächlichen Arbeitstage) korrigiert. Ein Wahlrecht hat der Arbeitgeber hierbei nicht. Die Korrektur ist für den jeweiligen Kalendermonat vorzunehmen, unabhängig davon, ob das Dienstverhältnis während des ganzen Kalenderjahres oder nur einen Teil des Kalenderjahres bestanden hat.
Etwaige zu viel erhobene Lohnsteuer ist an den Arbeitnehmer zu erstatten, etwaige noch nicht erhobene Lohnsteuer hat der Arbeitgeber nachträglich einzubehalten. Erfolgt diese Korrektur nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres, handelt es sich dennoch um Lohnsteuer des betreffenden abgelaufenen Kalenderjahres und ist daher zusammen mit der übrigen einbehaltenen Lohnsteuer in einer Summe in der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen und zu übermitteln. Dabei gilt es zu beachten, dass die Lohnsteuerbescheinigung derzeit bis spätestens Ende Februar des jeweiligen Folgejahres zu übermitteln ist.
Sozialversicherungspflicht im Entsendungsfall
Grundsätzlich unterliegen Arbeitnehmer in dem Land der Sozialversicherung, in dem sie den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit (d. h. mehr als 25 %) erbringen. Auch im Rahmen einer befristeten Entsendung wird perspektivisch dies in der Regel der Wohnsitzstaat sein bzw. bleiben. Zudem kann im Fall einer zeitlich befristeten Entsendung das deutsche Sozialversicherungsrecht im Wege der sog. Ausstrahlung weiter Anwendung finden. Die Einzelheiten hierzu müssen aber stets vor Umsetzung einer geplanten Entsendung geprüft werden. Sofern Arbeitnehmer ihrer Tätigkeit im Ausland nachgehen, dient die sogenannte „A1-Bescheinigung“ als Nachweis dafür, dass ein bestimmter Staat (d. h. in der Regel der Wohnsitzstaat) für die soziale Sicherheit zuständig ist. Diese Bescheinigung muss grundsätzlich vor Beginn jeder Erwerbstätigkeit im EU-/EWR-Ausland sowie der Schweiz bei den zuständigen Sozialversicherungsträgern beantragt werden, unabhängig davon, ob es sich um eine kurzfristige Dienstreise oder länger andauernde Entsendung handelt. Liegt diese vor, dient sie als Nachweis darüber, dass der betreffende Arbeitnehmer weiterhin in seinem Wohnsitzstaat der Sozialversicherung unterliegt. Ist eine Tätigkeit im Drittstaatengebiet geplant, wird die Frage der Sozialversicherungspflicht häufig durch zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen geregelt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, zu welchen Versicherungszweigen Regelungen getroffen wurden. Sofern im Einzelfall abkommensrechtliche Vereinbarungen fehlen, ist nach deutschem Recht durch den zuständigen Sozialversicherungsträger zu entscheiden, ob die deutschen Rechtsvorschriften anwendbar bleiben. Gleichzeitig sind aber auch die Vorschriften des anderen Staates dahingehend zu prüfen, ob unter Umständen auch dort eine Sozialversicherungspflicht besteht.
Fazit
Die grenzüberschreitende Entsendung von Mitarbeitern dient oftmals dem Aufbau neuer Konzerngesellschaften oder der Erschließung neuer geografischer Märkte. Sie fördert gleichzeitig aber auch die interkulturelle und oft auch interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb internationaler Unternehmen. Mit Blick auf die Entsendung in Deutschland angestellter Mitarbeiter ins Ausland sollten im Vorfeld insbesondere auch die Modalitäten des Lohnsteuerabzugs sowie der Sozialversicherungspflicht geklärt werden, um Risiken bei späteren Lohnsteueraußenprüfungen zu vermeiden. Gerne beraten wir Sie umfassend bei jedweden Fragen zu Ihrem Vorhaben.