Vorsicht beim Nießbrauch an Immobilien

Vermögensnachfolge/Private Clients Praxistipp

Wenn Eltern ihren Kindern eine vermietete Immobilie schenken, behalten sie sich oft den Nießbrauch vor. Substanz und Wertsteigerungen sollen auf diesem Weg den Kindern zukommen, die laufenden Erträge sollen den Eltern verbleiben. Für die Schenkungsteuer ist relevant, in welchem Umfang dieser sog. Vorbehaltsnießbrauch den Wert des Erwerbs der Kinder mindert. Denn danach richtet sich, ob die Freibeträge zwischen Eltern und Kindern überschritten werden oder generell in welchem Maß Schenkungsteuer anfällt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Frage der Bemessung des Vorbehaltsnießbrauchs nun entschieden – leider zum Nachteil der Steuerpflichtigen.

Das Urteil des BFH ist besonders praxisrelevant

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Urteil v. 28.5.2019 – II R 4/16) behandelt eine in der Praxis unumgängliche, bisher aber nicht abschließend geklärte Frage: In welchem Umfang reduziert sich der Wert einer Schenkung, wenn sich der Schenker bei der Schenkung den Nießbrauch an dem Schenkungsgegenstand vorbehält? Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf Vereinbarungen zu legen, mit denen sich ein Schenker oftmals bereit erklärt, Zins und Tilgung laufender Fremdfinanzierungen der Immobilie (Darlehen) zu übernehmen.

Die betroffene Fallkonstellation

Eltern schenken ihren Kindern bereits zu Lebzeiten eine vermietete, aber fremdfinanzierte Immobilie, damit die Kinder beim Tod der Eltern schenkungsteuerfrei in den Genuss der Wertsteigerungen der Immobilie seit der Schenkung kommen. Da die Eltern auf die Mieten zu Lebzeiten nicht verzichten können oder wollen, behalten sie sich den Nießbrauch an der Immobilie vor und erhalten so unverändert die Mieterträge. Die Kinder können die Darlehensrückzahlungen und -zinsen aus der Fremdfinanzierung hierbei nicht selbst tragen, da sie keine Mieteinnahmen haben. Darum übernehmen die Eltern auch weiterhin Darlehenstilgung und –zins.

In der beschriebenen Fallkonstellation ist steuerlich von einer Schenkung der Eltern an die Kinder auszugehen. Als steuerliche Bemessungsgrundlage kann aber nicht der Wert der Immobilie angesetzt werden, denn ein „Marktwert“ berücksichtigt stets auch die Möglichkeiten, Ertrag zu erzielen. Dieser Ertrag verbleibt aber in der dargestellten Fallkonstellation bei den schenkenden Eltern. Dass sich die Eltern Erträge vorbehalten, muss also wertmindernd angerechnet werden. Entsprechend unterliegt nur die Differenz aus dem Wert der Immobilie und dem Wert der vorbehaltenen Erträge der Schenkungsteuer, jedenfalls dann, wenn die Freibeträge überschritten sind.

Entscheidung des BFH (Urteil v. 28.5.2019 – II R 4/16)

Mieterträge schwanken, schon deshalb ist die Bemessung des Abzugspostens der vorbehaltenen Erträge schwierig. Fraglich ist aber auch, ob und in welcher Höhe zu berücksichtigen ist, dass die Eltern zwar die Mieten erhalten, aber auch die Darlehenslasten tragen.

Der BFH legt sich nun erstmals eindeutig fest: Bei solchen Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Diese Bewertung erfordert eine Schätzung. Anhaltspunkt für den in der Zukunft voraussichtlich erzielbaren Betrag können dabei die in den letzten (beispielsweise vier) Jahren erzielten Einkünfte sein. Bei Vorliegen besonderer Umstände, zum Beispiel bei starken Schwankungen, kann für die Zukunftsprognose auch auf einen längeren Zeitraum abzustellen sein.

Bei der Ermittlung des Werts von Nießbrauchsrechten an Grundstücken ist zunächst von den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung auszugehen. Sodann sind die vom Schenker zu tragenden Aufwendungen abzuziehen. Dem Schenker steht nur der Reinertrag des seiner Nutzung unterworfenen Wirtschaftsgutes zu. Vom Schenker aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder gesetzlicher Vorgaben zu zahlende Schuldzinsen mindern also den Jahreswert des ihm zustehenden Nießbrauchsrechts. Der schenkungsteuerliche Wert für den Beschenkten erhöht sich entsprechend.

Diese Auffassung überrascht. Denn die beschenkten Kinder können die Schuldzinsen steuerlich nicht nutzen; sie können sie nicht absetzen. Denn der Ansatz von Aufwendungen verlangt immer, dass überhaupt Einnahmen erzielt werden. Mit anderen Worten: Für die Kinder ist es steuerlich irrelevant, ob die Eltern die Zinsen übernehmen oder nicht. Sie haben keine steuerlichen Vorteil, wenn die Eltern als Schenker auch die Schuldzinsen übernehmen.

Der BFH geht aber von einem anderen Ansatz aus: Die Kinder seien dadurch bereichert, dass sie die Zinszahlungen für die übernommenen Verbindlichkeiten nicht zu leisten hätten. Man müsse sich die Belastung durch den Nießbrauch wegdenken: die beschenkten Kinder könnten dann auch nur die Nettoerträge wie ihre Eltern erzielen, weil sie die Darlehenszinsen selbst tragen müssten.

Praxistipp

Bei Schenkungen unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs ist genau zu rechnen, insbesondere dann, wenn bestimmte Größen – wie die Freibeträge – angepeilt werden.

Nach dem Urteil des BFH ist klar: Schätzungen des Finanzamtes müssen vermieden werden, weil sie Unsicherheit mit sich bringen. Werden die Werte der letzten vier Jahre angesetzt, bleibt kaum Raum für Schätzungen. Besondere Vorsicht ist bei Belastungen und Aufwendungen geboten, insbesondere wenn ein Schenker diese vertraglich übernimmt. Hier birgt die Rechtsprechung des BFH das Risiko, dass derartige Konstellationen den Wert der Schenkung erhöhen.

Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt – bei Immobilien aber auch anderen Wirtschaftsgütern (zum Nießbrauchsvorbehalt bei Mitunternehmerschaften, siehe Praxistipp vom 21.11.2019) – bleiben ein hilfreiches Mittel, um Schenkungen zielgenau vorzunehmen. In den Belastungsvergleich sind Faktoren wie die statistische Lebenserwartung, die Höhe der Erträge und der Belastungen, die Historie des Wirtschaftsguts und die Freibeträge einzustellen. Nur dann, wenn all diese Faktoren berücksichtigt werden, kann ein Wert der Schenkung ermittelt werden, der einer Überprüfung durch das Finanzamt standhält. Die Zielgenauigkeit einer Schenkung kann auch weiterhin in Fällen wie dem Urteilsfall erreicht werden, etwa wenn man einen sog. Quotennießbrauch einsetzt, bei dem nur ein Teil der Erträge den Eltern zusteht und nur ein Teil der Darlehenslasten von den Eltern übernommen wird.

Der BFH hat demnach Klarheit geschaffen. Seine Entscheidung macht es jetzt zwingend notwendig, die Eckdaten des Wirtschaftsguts genau zu kennen und mit Hilfe von Steuerberatern präzise den Wert des Nießbrauchs zu berechnen.