Neues zur Steuerbefreiung beim Familienheim – Wie viel Garten gehört dazu?

Dieser Praxis Tipp behandelt einen aktuellen Fall, entschieden vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 23.02.2021, Az.: II R 29/19, zu der bisher und noch immer ungeklärten Frage, in welchem Umfang Gartengrundstücke zum Umfang des steuerbefreiten Familienheims gehören. Aus der Entscheidung ergibt sich Handlungsbedarf.

Steuerrechtlicher Rahmen

Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) enthält einige sachliche Steuerbefreiungen. Besonders praxisrelevant ist die Übertragung des Familienheims unter Eheleuten. Einzelheiten finden sich hier in unserem Praxis Tipp vom 10.02.2021.

Urteilsfall

Im Urteilsfall erhielt die Alleinerbin von ihrer Mutter eine Eigentumswohnung in einem Zweifamilienhaus und das Grundstück, auf dem das Zweifamilienhaus stand. Es handelte sich insoweit unstreitig um das steuerbefreite Familienheim. Neben diesem Grundstück lag – unmittelbar angrenzend – ein unbebautes Grundstück, das Gartengrundstück. Auch dieses ging auf die Alleinerbin über.

Die Alleinerben deklarierte den Erwerb beider Grundstücke und machte die Steuerbefreiung für den Familienheimerwerb von Todes wegen durch Kinder (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) in vollem Umfang geltend. Das Finanzamt erließ zunächst einen antragsgemäßen Bescheid. Das für die Bewertung des Grundbesitzes zuständige Lage-Finanzamt stellte später den Wert der beiden Grundstücke jeweils als eigene wirtschaftliche Einheiten fest. Anschließend erließ das Finanzamt einen geänderten Bescheid, mit dem es die Steuerbefreiung nur noch für das Grundstück, auf dem das Zweifamilienhaus stand, gewährte.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Nur das grundbuchmäßig erfasste Grundstück im Sinne des Zivilrechts, auf dem sich das Familienheim befinde, sei steuerbefreit.

(Keine) Entscheidung des BFH

Der BFH gewährt im konkreten Fall wie das Finanzgericht nur die Befreiung für das eine Grundstück. Hintergrund für diese Entscheidung ist, dass die Frage, ob die Grundstücke eine Einheit bilden (dazu sogleich), vom Lage-Finanzamt für das Erbschaftsteuer-Finanzamt bindend entschieden und vom Steuerpflichtigen nicht angegriffen worden war.

Der BFH musste sich also mit der eigentlich interessierenden Frage nicht auseinandersetzen: Er ließ offen, ob der Begriff des Grundstücks zivilrechtlich oder bewertungsrechtlich zu verstehen ist. Damit ließ der BFH auch die Möglichkeit offen, dass das weitere Grundstück (Gartengrundstück) in die Steuerbefreiung einzubeziehen sein könnte.

Das Gesetz enthält keine nähere Bestimmung, in welchem Umfang der zu der Wohnung gehörende Grund und Boden an der Steuerbefreiung teilnimmt. In Betracht kommt einerseits das Grundstück im zivilrechtlichen Sinn (ein vermessener, im Liegenschaftskataster bezeichneter Teil der Erdoberfläche) oder andererseits die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsgesetzes. Für den zivilrechtlichen Begriff spricht die bürgerlich-rechtliche Prägung des Erbschaftsteuerrechts. Andererseits verweist die Vorschrift selbst auf das Bewertungsgesetz.

Fazit und Praxis-Hinweise

Die in dem dargestellten Fall entwickelten Grundsätze gelten ebenso für den begünstigten Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten, sei es zu Lebzeiten oder von Todes wegen.

Der Feststellungsbescheid des Lage-Finanzamtes war im vorliegenden Fall für das Erbschaftsteuer-Finanzamt bindend, weil er Grundlagenbescheid für die Erbschaftsteuer-Festsetzung ist. Die Bindungswirkung erfasst auch den Umfang der wirtschaftlichen Einheit. Will der Steuerpflichtigen diesen Umfang anders gesetzt wissen, muss er – wie stets – gegen den Grundlagenbescheid vorgehen. Ein Vorgehen gegen den Festsetzungsbescheid bei der Erbschaftsteuer hilft nicht.

In solchen Fällen ist also frühzeitiger Steuerrat gefragt, um rechtzeitig den richtigen Bescheid anzufechten.

Zwischen den Zeilen ist zu erkennen, dass der BFH – der ohnehin zu restriktiven Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift neigt – die zivilrechtliche Sichtweise bevorzugt, auch wenn z. B. das andere erworbene Flurstück direkt daneben liegt, dieses von dem Erwerber mitgenutzt wird und der Erwerber beide Flurstücke als eine Einheit ansieht.

Will der Steuerpflichtige also sicher gehen, dass die Befreiung die Gesamtheit der Grundstücke erfasst, sollte noch zu Lebzeiten des Erblassers die Vereinigung der Flurstücke beantragt werden. Allerdings sind sie dann auch nur noch zusammen belastbar. Hier ist immobilienrechtlicher Rat im Kombination mit steuerrechtlicher Expertise gefragt.