Mögliche Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes?

Aktuell sind zwei Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig, welche die Vereinbarkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) mit dem Grundgesetz zum Gegenstand haben.

Am 16. Juni 2023 hat die Bayerische Staatsregierung einen Antrag auf ein Normenkontrollverfahren beim BVerfG zur verfassungsrechtlichen Überprüfung des ErbStG eingereicht. Der Antrag wird beim BVerfG unter dem Aktenzeichen BVerfG 1 BvF 1/23 geführt. Die schriftliche Begründung des Antrages ist bislang nicht veröffentlicht.

Nach der Mitteilung des BVerfG ist Gegenstand des Antrages die verfassungsrechtliche Überprüfung des ErbStG im Hinblick auf die Höhe der Freibeträge, die Höhe der Steuersätze und eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer. Betroffene Grundrechte sind dabei Art. 3 GG (Allgemeiner Gleichheitsgrundsatz), Art. 6 GG (Ehe und Familie) und Art. 14 GG (Eigentum und Erbrecht). Wann mit einer Entscheidung des BVerfG zu rechnen ist, ist bislang nicht bekannt.

Darüber hinaus hat das BVerfG über eine Verfassungsbeschwerde einer natürlichen Person zu der Frage zu entscheiden, ob die Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens deshalb verfassungswidrig ist, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen ist (Az.: BVerfG 1 BvR 804/22). In diesem Verfahren soll noch in diesem Jahr eine Entscheidung des BVerfG ergehen.

Damit eine etwaige rückwirkende Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG in zukünftigen Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheiden geltend gemacht werden kann, müssen diese bis zu einer Entscheidung des BVerfG mit einem Einspruch angefochten („offen gehalten“) werden. Gleichzeitig mit der Einlegung des Einspruchs ist das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Dies hat zur Folge, dass über den Einspruch erst nach Ergehen der Entscheidungen des BVerfG entschieden wird. Ein Nachteil ist mit der Einlegung des Einspruchs nicht verbunden, da der Einspruch bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch zurückgenommen werden kann.

Unsere Erfahrung zeigt, dass das BVerfG selbst bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm, diese oftmals für die Vergangenheit oder teilweise sogar bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiterhin für anwendbar erklärt. In diesen Fällen würde sich auch bei einer festgestellten Verfassungswidrigkeit keine Änderung des Bescheides ergeben. Wer jedoch auf Nummer sicher gehen will, sollte Einspruch einlegen. Es gilt abzuwarten, wie das BVerfG entscheiden wird.