Die selbst nicht wirtschaftlich tätige Bruchteilsgemeinschaft

Eine erste Analyse der geänderten Auffassung der Finanzverwaltung zur Bruchteilsgemeinschaft

Unser heutiger Praxistipp analysiert ein Schreiben der Finanzverwaltung vom 27.10.2021 (BStBl. II, S. 846) zu der selbst nicht wirtschaftlich tätigen Bruchteilsgemeinschaft.

Die Bruchteilsgemeinschaft ist aus umsatzsteuerlicher Sicht ein durchaus anspruchsvolles Institut. Insoweit verwundert es nicht, dass es auch bei ihr zu einer unterschiedlichen Beurteilung zwischen Finanzverwaltung und Rechtsprechung kommt. Erstere unterscheidet einerseits zwischen der nach außen hin tätigen sog. „unternehmerischen“ Bruchteilsgemeinschaft und andererseits der selbst nicht wirtschaftlich tätigen Bruchteilsgemeinschaft. Letztere liegt vor, wenn ein gemeinsamer Leistungsbezug durch mehrere Personen erfolgt (z. B. Ehegatten geben für das in ihrem Miteigentum stehende Vermietungsobjekt einen Renovierungsauftrag an ein Bauunternehmen oder mehrere Landwirte erwerben gemeinsam einen Mähdrescher).

In Bezug auf die unternehmerische Bruchteilsgemeinschaft unterrichteten wir Sie vor knapp drei Jahren, dass sich der V. Senat des BFH gezwungen sah, sich von seiner über Jahrzehnte bewährten Rechtsprechung zu verabschieden, und in diesem Zusammenhang urteilte, dass auch bei einer unternehmerischen Bruchteilsgemeinschaft der jeweilige Gemeinschafter und nicht die Bruchteilsgemeinschaft als solche das maßgebliche umsatzsteuerliche Rechtssubjekt darstellt. Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung mit gewichtigen Gründen noch nicht übernommen. Ein eingeleitetes Gesetzgebungsverfahren, das das alte Verständnis legalisiert, ist augenscheinlich ins Stocken geraten.  

Bereits einige Jahre hatte er im Ergebnis Ähnliches für eine selbst nicht tätige Bruchteilsgemeinschaft entschieden. Dieser Rechtsprechung hat sich nun die  Finanzverwaltung angeschlossen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass es bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen an mehrere Erwerber zu einer entsprechenden Anzahl von Lieferungen kommt. Umsatzsteuerlich muss dabei jede einzelne Lieferung gesondert beurteilt werden. Bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen von Grundstücken kann folglich die Übertragung eines Anteils nicht steuerbar, die andere steuerfrei und die dritte - aufgrund von Option - umsatzsteuerpflichtig sein. Das BMF-Schreiben führt zu einer Änderung der bisherigen Verwaltungsvorschriften an über zehn Passagen. Dabei versucht die Finanzverwaltung zwar bei den Anforderungen an die Fakturierung auf praktische Belange Rücksicht zu nehmen, ob ihr dies aber gelingt, wird sich zeigen müssen. In Bezug auf die Aufbewahrung von Eingangsrechnungen soll es ausreichen, dass einer der Gemeinschafter das Original der Rechnung und die anderen jeweils eine Ablichtung aufbewahren. Auch wird es nicht beanstandet, dass nur eine Rechnung an die Gemeinschaft ausgestellt wird, die als Angabe nur den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift der Gemeinschaft enthält. Für diesen Fall verlangt die Finanzverwaltung allerdings, dass sich aus den von dem zum Vorsteuerabzug berechtigten Gemeinschafter zu führenden Aufzeichnungen die Namen und die Anschriften der übrigen Gemeinschafter sowie die auf die Gemeinschafter entfallenden Anteile am Gemeinschaftsvermögen ergeben.

Bruchteilsgemeinschafter, die steuerpflichtige Ausgangsleistungen erbringen, müssen da­mit rechnen, dass sie durch beratene oder steueraffine Vertragspartner mit der umsatzsteuerlichen Problematik konfrontiert werden und sollten deshalb entsprechend vorbereitet sein.

Praxistipp

Bei Neuabschluss von Verträgen, insbesondere Mietverträgen, müssen Sie unbedingt auf das neue Verständnis reagieren. Prüfen Sie Ihre Altverträge, ob sie den aktuellen umsatzsteuerlichen Anforderungen genügen und sorgen Sie für einen entsprechenden Nachtrag.  

Vermieten oder verkaufen Bruchteilsgemeinschafter ein Grundstück und wollen dabei auf die Steuerfreiheit verzichten, so sollte der Verzicht von sämtlichen Gemeinschaftern (und nicht nur von der Gemeinschaft) erklärt werden. Nehmen Sie dabei in den jeweiligen Verträgen auch eine Regelung über die Fakturierung auf.

Erbringen Sie durch Option steuerpflichtige Ausgangsleistungen an Bruchteilsgemeinschafter, vergewissern Sie sich, dass sämtliche Gemeinschafter die Voraussetzungen nach § 9 UStG erfüllen.

Bei Bezug von Eingangsleistungen durch unternehmerische Gemeinschafter empfiehlt es sich, sich mit der Buchhaltung und/oder dem Berater abzustimmen, ob und bejahendenfalls wie man diesbezüglich auf seine Vorlieferanten zugeht. Der vermeintlich sicherste Weg dürfte darin bestehen, dass jeder Gemeinschafter auf eine eigene Rechnung über die auf ihn fallende Eingangsleistung besteht.    

Soll vermieden werden, dass die jeweiligen Gemeinschafter zum Unternehmer werden, muss über Ausweichstrategien nachgedacht werden. Eine solche wäre die Errichtung von anderen Gesellschaftsformen. Dabei gilt es aber auch etwaige ertrag- und grunderwerbsteuerliche Rechtsfolgen in die Überlegungen miteinzubeziehen. Bei „Um­wandlungen/Einbringungen“ fallen regelmäßig Beratungs- und Beurkundungskosten an.