Umsatzsteuer bei vorzeitiger Auflösung eines langfristigen Mietvertrages gegen Abfindungszahlung des Mieters (BFH v. 22.05.2019)

Praxistipp zur Umsatzsteuer

Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Zahlungen, die bei Vertragsbeendigung oder Aufgabe von Rechten als „Entschädigung“ bezeichnet werden, sind streitanfällig und haben die Gerichte wiederholt auf den Plan gerufen. Die Zahlungen sind häufig, aber nicht zwingend Gegenleistung für konkrete Leistungen des Zahlungsempfängers. Je nach Ausgangslage kann dabei die vorzeitige Vertragsauflösung entweder im Interesse des Vermieters oder aber auch des Mieters stehen. Ihre umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ist zwischen Literatur auf der einen Seite und Finanzverwaltung und Rechtsprechung auf der anderen Seite durchaus strittig.

Spätestens nach der jüngsten Entscheidung des BFH wird man von einer gefestigten deutschen Rechtsprechung sprechen müssen, wonach Zahlungen des Mieters an den Vermieter zur vorzeitigen Auflösung des Mietvertrages ein Entgelt für eine Leistung des Vermieters darstellen, die im Rahmen eines umsatzsteuerrechtlichen Leistungsaustausches erbracht wird. In dem letzte Woche vom BFH veröffentlichten Beschluss vom 22.05.2019 hat der XI. Senat seine Meinung begründet, weshalb es sich bei der Zahlung um keinen nichtsteuerbaren Schadensersatz handeln, sondern ihr ein verbrauchsfähiger Vorteil zugrunde liegen soll. Diesen sieht der XI. Senat darin, dass der Mieter ohne Streitigkeiten aus dem Mietvertrag entlassen werde und sich damit mit Duldung des Vermieters seiner vertraglichen Pflichten in vollem Umfang entledige. Infolge des vom Vermieters erbrachten Verzichts erlange der die Abfindung leistende Mieter seine ursprüngliche Rechtsposition vorzeitig wieder zurück. Dies reicht für den BFH für die Annahme eines Leistungsaustausches aus.

Für die weitere umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, also die Frage, ob die Zahlung umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfrei ist, kommt es damit darauf an, welche umsatzsteuerrechtlichen Vereinbarungen die Vertragsparteien im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrages getroffen haben. Ist die Vermietungsleistung umsatzsteuerfrei, so gilt dies nach Auffassung des BFH auch für den Verzicht. So hat er bereits in der Vergangenheit entschieden, dass unter die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze sowohl die Erfüllungsleistungen wie auch die Abfindung für die Aufgabe von Rechten aus dem Mietvertrag fielen. Wurde hingegen zur Umsatzsteuer optiert, so gilt dies auch für die spätere Verzichtsleistung.  

Praxistipp:

Nachdem nunmehr beide für die Umsatzsteuer zuständigen Senate des BFH die Auffassung vertreten, dass Zahlungen für eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrages nicht als nichtumsatzsteuerbarer Schadensersatz, sondern vielmehr im Rahmen eines Leistungsaustausches zu beurteilen seien, müssen Sie dieses Verständnis bei Vereinbarungen über die vorzeitige Auflösung von Mietverträgen berücksichtigen.

Unterliegt die Zahlung nach den oben aufgezeigten Kriterien der Umsatzsteuer, so hängt die wirtschaftliche Belastung davon ab, ob der Zahlende zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Dies ist nicht immer der Fall. Sollten Sie als Vermieter eine Abfindungszahlung an ihren Mieter leisten müssen, müssen Sie auch diesen Aspekt bei Ihren Überlegungen und Kalkulationen im Vorfeld im Blick behalten. In diesem Zusammenhang gilt es die für den Steuerpflichtigen durchaus positive Entscheidung des BFH vom 13.12.2017 (XI R 3/16) zu beachten. In ihr hatte der BFH das Recht auf Vorsteuerabzug nicht versagt, weil die vorzeitige Auflösung zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem das Mietverhältnis noch bestand und ein späterer (umsatzsteuerfreier) Umsatz, der das Recht auf Vorsteuerabzug ausschließen würde, nicht festgestellt werden konnte. Sollte ein Recht auf Vorsteuerabzug (ausnahmsweise) nicht bestehen, gilt es gemeinsam über mögliche Ausweichstrategien nachzudenken.