Vorsteueraufteilung bei Herstellung von Gebäuden

Umsatzsteuer-Praxistipp zu BFH, Urteil vom 11.02.2021, Az. XI R 7/20

In dem Umsatzsteuer-Praxistipp wird die Fortentwicklung der Rechtsprechung des BFH in Bezug auf die Vorsteueraufteilung eines hergestellten Gebäudes, das sowohl für steuerfreie als auch für steuerpflichtige Umsätze verwendet wird, aufgezeigt.

Die Vorsteueraufteilung bei sogenannten gemischt genutzten Gebäuden, die also sowohl für steuerfreie als auch für steuerpflichtige Umsätze verwendet werden, hat sowohl den Gesetzgeber als auch wiederholt die Gerichte auf den Plan gerufen. So jüngst wieder den BFH mit einer letzte Woche veröffentlichten Entscheidung, die Gegenstand dieses Praxistipps ist.

Ein wesentlicher Grund der Komplexität liegt darin, dass die deutsche Vorschrift zur Vorsteueraufteilung (§ 15 Abs. 4 UStG) in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den europäischen Vorgaben steht, was immer wieder zu neuen Auslegungsfragen bzw. Verständnisproblemen führt. In der jüngsten Entscheidung ging es im Wesentlichen um die Frage der Feststellungslast, sodass die Entscheidung insoweit mehr Klarheit bringt.

Allgemeine Grundsätze:
  • Bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes sind in einem ersten Schritt die Gesamtherstellungskosten zu ermitteln (sog. „Eintopf-Theorie“). Diese sind sodann aufzuteilen.

  • Dabei kann der Unternehmer die nichtabziehbaren Teile im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Hier sieht nun aber § 15 Abs. 4 UStG eine Einschränkung vor. Eine Ermittlung des nichtabziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen - wie sie das europäische Recht vom Grundsatz vorsieht -, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Und bei Gebäuden geht der Gesetzgeber davon aus, dass als Aufteilungsmaßstab grundsätzlich der Flächenschlüssel heranzuziehen ist. Bei erheblichen Unterschieden in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume kommt nach der Rechtsprechung des EuGH und BFH hingegen der objektbezogene Umsatzschlüssel zur Anwendung.    

  • An eine sachgerechte Wahl der Aufteilungsmethode ist der Steuerpflichtige ab formeller Bestandskraft gebunden.

Der Fall:  

Die Klägerin errichtete einen gemischt genutzten Gebäudekomplex, bestehend aus einer (Senioren)-Wohnanlage mit 57 Wohnungen sowie einen daran anschließenden Supermarkt nebst Parkdeck für den Supermarkt und darunter liegender Tiefgarage für den Wohnbereich. Die Klägerin wählte zur Vorsteueraufteilung (formell bestandskräftig) den Flächenschlüssel. Nach der Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam das Finanzamt zu einer anderen Flächenaufteilung. Dies wurde seitens der Klägerin nicht akzeptiert, sodass sie nunmehr den sog. objektbezogenen Umsatzschlüssel als sachgerecht ansah. Dies wiederum akzeptierte das Finanzamt nicht. Das Finanzgericht Nürnberg wies die Klage überwiegend ab, obwohl es feststellte, dass der Supermarkt gegenüber der Seniorenwohnanlage unstrittig unterschiedliche Ausstattungsmerkmale hinsichtlich der Höhe der Räume, der Fenster sowie der Innenausstattung aufwies.

Die Lösung des BFH:

Der BFH bestätigt seine Rechtsprechung, wonach erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume zu einer Vorsteueraufteilung nach dem objektbezogenen Umsatzschlüssel führt. Selbst wenn sich am Ende die Eingangsbezüge für die gegenläufig unterschiedlichen Ausstattungsmerkmale ungefähr wieder gleichmäßig auf alle Flächen verteilen, weil die Ausstattung in einigen Bereichen höher- und dafür in anderen Bereichen unterpreisig ausfällt, ist in einem solchen Fall die Anwendung eines Flächenschlüssels unsachgemäß und damit rechtswidrig.

In Bezug auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis stellt der BFH klar, dass nicht der Steuerpflichtige beweisen müsse, dass der Umsatzschlüssel präziser ist als ein Flächenschlüssel, sondern vielmehr dürfe der Mitgliedstaat den Flächenschlüssel nur dann anwenden, wenn er auch präziser ist als der objektbezogene Umsatzschlüssel. Aus diesem Grunde wurde die Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

PSP-Praxistipp:

Wollen Sie als Steuerpflichtiger den (objekt)bezogenen Umsatzschlüssel zur Anwendung bringen, kommen Sie nicht umhin, für erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume sorgen zu müssen. Die Flächen müssen sich innerhalb eines Gebäudes oder auf dessen Dach befinden. In letztgenannter Alternative sollten Sie einer sog. dachintegrierten Photovoltaikanlage den Vorzug geben.

Sofern Tiefgarage und/oder Parkdeck unter bzw. auf dem Gebäude stehen, sind auch diese Flächen mit einzubeziehen.

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dies auch für Außenanlagen gilt, ist m. E. noch nicht abschließend geklärt. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass diese für umsatzsteuerliche Zwecke eigenständig zu beurteilen sind, sodass sie keine Aufteilung der Gebäudeflächen nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel rechtfertigen.

Und stellt sich im Nachhinein heraus, dass der von Ihnen (formell bestandskräftig) gewählte Flächenschlüssel wegen erheblicher Unterschiede in der Ausstattung unsachgemäß und daneben auch noch ungünstiger ist, können Sie von diesem - soweit verfahrensrechtlich noch möglich – auf den (objektbezogenen) Umsatzschlüssel umschwenken, selbst wenn die ursprüngliche Veranlagung schon formell bestandskräftig geworden ist. Ist hingegen der Umsatzschlüssel für Sie nachteilig, müssen Sie mit einer Änderung durch das Finanzamt zu Ihren Lasten rechnen.

Aber bitte niemals vergessen: Der Umsatzschlüssel führt zu einem deutlich höheren administrativen Aufwand und regelmäßig zu Berichtigungen nach § 15a UStG bei Änderungen der Mieterlöse.