Berliner Testament – nicht nur auf die korrekte Formulierung kommt es an!

Vermögensnachfolge/Private Clients Praxistipp zu OLG Oldenburg v. 11.9.2019 Az. 3 U 24 /18

In diesem aktuellen Praxistipp werden die wesentlichen Inhalte der Entscheidung des OLG Oldenburg zur Formulierung eines Berliner Testament dargestellt und analysiert. Kinder, gemeinsame Abkömmlinge und der Erblasserwille finden besondere Berücksichtigung.

Wollen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament jeweils ihr Vermögen zunächst dem überlebenden Partner und nach dem Tod des Längerlebenden einem Dritten zuwenden, dann bieten sich dafür verschiedene Lösungen an. Bekannt ist die sog. „Einheitslösung“, die auch „Berliner Testament“ genannt wird. Jeder Ehegatte setzt den anderen zum Vollerben und den Dritten zum Ersatzerben ein. Der Dritte erhält dann das gemeinsame Vermögen der Eheleute beim Tod des längstlebenden Ehegatten.

Schon aus steuerlichen Gründen sollte man diese Lösung optimieren (Ausnutzung von Freibeträgen!) und dafür Steuerrechtsrat einholen. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg verdeutlicht abermals, dass auch die Ausformulierung eines Berliner Testamentes besser erbrechtlichen Experten überlassen wird. Andernfalls kann es leicht zum Streit unter den Angehörigen kommen. Gegenstand des Urteils ist die Frage, ob Enkel und Urenkel auch unter dem Begriff „gemeinsame Abkömmlinge“ zu erfassen sind, oder ob „gemeinsame Abkömmlinge“ nur die Kinder der Erblasser sein können. Bei der Beantwortung der Frage kommt es auch auf den Erblasserwillen an.

Das Urteil des OLG Oldenburg ist besonders praxisrelevant

Die Entscheidung des OLG Oldenburg (Urteil v. 11.9.2019 - 3 U 24/18) behandelt die Ausformulierung von Berliner Testamenten. Nach wie vor entscheiden sich die meisten Ehepartner – gerade wenn sie keinen Rechtsrat einholen – für das Berliner Testament. Ein Grund dafür ist dessen scheinbare Einfachheit: Die Eheleute setzten sich jeweils zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Längerlebenden erben die gemeinsamen Kinder – oder aber – wie im Urteilsfall – die „gemeinsamen Abkömmlinge“. Was für den juristischen Laien möglicherweise nach austauschbaren Begriffen aussieht, ist bei rechtlich korrekter Betrachtung doch unterschiedlich. Gerade in diesem Unterschied liegt das Streitpotential.

Die betroffene Fallkonstellation

Die Eheleute hatten das Berliner Testament gewählt und sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Erben des Letztversterbenden sollten „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen“ sein. Zudem sollte der länger lebende Ehepartner die Erbfolge „unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern“ können. So setzte die Ehefrau, die ihren Mann überlebt hatte, in einem zweiten Testament eine ihrer Töchter und deren Sohn (ihren Enkel) zu ihren Erben ein. Die andere, auf diese Weise übergangene Tochter hielt dies für unzulässig und ging dagegen vor.

Zu entscheiden war also, ob unter der Formulierung "gemeinschaftliche Abkömmlinge" nur die gemeinsamen Kinder zu verstehen seien. Eine Erbeinsetzung des Enkelsohns war nach Auffassung der übergangenen Tochter nicht möglich. Erben seien nur alle Kinder der Eheleute, nicht aber Enkel oder Urenkel. Das Streitpotential hat in diesem Fall zwei Wurzeln: Einmal in der Frage, ob Enkel „gemeinsame Abkömmlinge“ sein können, und einmal in dem Umstand, dass nicht festgeschrieben worden war, dass Abkömmlinge unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erben. Mit einem solchen Zusatz wird der Streit wenigstens dann vermieden, wenn der länger lebende Ehegatte nach dem Tod des anderen (anders als im Urteilsfall) nicht frei ist, neu zu testieren. Denn die Regeln der gesetzlichen Erbfolge führen im Grundsatz dazu, dass Enkel und Urenkel ausgeschlossen sind, solange deren Eltern noch leben.

Entscheidung des OLG Oldenburg (Urteil v. 11.9.2019 - 3 U 24/18)

Die Vorinstanz (Landgericht Osnabrück) schloss sich der Auffassung der übergangenen Tochter an. Erben seien nur die gemeinsamen Kinder der Eheleute geworden. Die Einsetzung des Enkelsohns durch die Ehefrau sei nach dem gemeinsamen Testament nicht möglich gewesen.

Das OLG sah das allerdings anders: Das Wort „Abkömmlinge“ sei nicht allein auf Kinder beschränkt. Unter dem Begriff seien auch Enkel, Urenkel und weitere Abkömmlinge zu verstehen. Stütze findet dieses Verständnis schon im Gesetz (§ 1924 BGB). Dort wird die erste Ordnung der Erben, die zweifelsfrei Kinder und Kindeskinder erfasst, unter Verwendung des Begriffs „Abkömmlinge“ definiert. Die Auslegung des OLG überrascht also nicht und ist u.E. auch zutreffend.

Allerdings kann es im Erbrecht nicht bei einer reinen Gestzes- und Wortlautanalyse bleiben. Denn maßgeblich ist stets der Erblasserwille. Jede Formulierung in einem Testament ist auslegbar. Es gilt nur das, was der Erblasser gemeint hat, und zwar selbst dann, wenn er dafür aus Sicht eines Juristen den „falschen“ Begriff gewählt hat. Richtigerweise hat das OLG also zudem den Erblasserwillen erforscht. So war es nach Auffassung des OLG plausibel, dass die Eheleute alle ihre zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge – ob Kinder, Enkel oder Urenkel – gleichbehandeln wollten. Denn häufig hätten eher die Enkel und Urenkel finanzielle Unterstützung nötig. Es sei auch nachvollziehbar, dass die Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängen sollte, ob ihre Eltern noch lebten und wie viele Geschwister sie jeweils hätten.

PSP-Praxistipp

Ein Testament hat viele Zwecke. Einer davon ist die Vermeidung von Streit der Erbenden. Gelingen kann dies nur, wenn die Formulierungen eindeutig sind. Das Urteil des OLG führt erneut vor Augen, dass selbst ein vom Notar formuliertes, sich am Gesetzeswortlaut orientierendes Testament streitanfällig ist, wenn der Erblasserwille unterschiedlich interpretiert wird. Eindeutigkeit bedeutet also die Einbeziehung des Erblasserwillens.

Ein sorgfältiger Berater wird daher nicht nur das Testament präzise formulieren und die aktuellste Rechtsprechung zu Auslegungsfragen berücksichtigen. Er wird vielmehr dafür Sorge tragen, dass der Erblasserwille im Testament erkennbar ist. Im vorliegenden Fall wäre es so einfach gewesen, den Rechtsstreit durch bisher zwei Instanzen zu vermeiden. Der Satz „Mit Abkömmlingen meinen wir auch Enkel, Urenkel und weitere Abkömmlinge.“ hätte genügt, um in diesem Fall Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen.

Auch wenn es auf den ersten Blick erstaunt: Der Erblasser kann seinen eigenen Erblasserwillen nicht selbst erforschen, wenn er erbrechtlich nicht bewandert ist. Er benötigt den Rechtsberater, um zu wissen, in welchen Punkten Klarheit zu schaffen ist, also welche Formulierungen überhaupt „uneindeutig“ sind. Nur auf dem Boden einer gründlichen (und gründlich dokumentierten) Beratung lässt sich der wahre Erblasserwille ermitteln.

Oder hätten Sie daran gedacht, in das Testament aufzunehmen, ob auch adoptierte Abkömmlinge erfasst sein sollen? Wenn ja, dann achten Sie bitte auch auf den Unterschied zwischen Abkömmlingen, die als Kinder, und solchen, die als Erwachsene adoptiert werden.

Wir beraten Sie gerne und ausführlich zu allen Aspekten der Testamentsgestaltung! Aktuelles zum Ehegattentestament finden Sie auch im PSP-Artikel vom 20.11.2019.