Nachhaltigkeitsberichterstattung: Neue Pflichten für den Mittelstand

Inhalt und Auswirkungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat die EU-Kommission am 21. April 2021 den Entwurf für eine neue Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), vorgelegt. Bisher war die sog. nichtfinanzielle Berichterstattung nur ein Thema für kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungsgesellschaften mit jeweils mehr als 500 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt. Die neue Richtlinie hingegen enthält nun u.a. eine deutliche Ausweitung des Anwendungsbereichs. Damit stehen große mittelständische Unternehmen künftig nicht nur vor den tatsächlichen Herausforderungen, die aus Klimawandel, Umweltauflagen, Arbeitnehmerbelangen und gesellschaftlichem Wandel erwachsen, sondern müssen sich nunmehr auch mit der Berichterstattung über ebenjene Aspekte beschäftigen.

Neben der Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs präzisiert der Richtlinienentwurf die Anforderungen an die Art und Weise, wie über Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten ist. Außerdem ist die zwingende Verortung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht sowie eine Prüfungspflicht durch den Abschlussprüfer vorgesehen. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die geplanten Änderungen und Neuerungen.

Ausweitung des Anwendungsbereichs

Konkret sollen von der neuen CSRD nun nicht mehr nur große, sondern auch kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen (kapitalmarktorientierte KMU) erfasst werden. Lediglich für kapitalmarktorientierte Kleinstunternehmen ist eine Befreiung vorgesehen. Überdies sollen künftig alle weiteren großen Unternehmen – unabhängig davon, ob sie an einem organisierten Markt notiert sind oder nicht – verpflichtet werden, eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erstellen und zu veröffentlichen. Große Unternehmen in diesem Sinne sind Unternehmen, die zumindest zwei der drei nachfolgenden Größenkriterien überschreiten: eine Bilanzsumme von 20 Mio. EUR, Nettoumsatzerlöse von 40 Mio. EUR und/oder eine Arbeitnehmerzahl von 250 im Jahresdurchschnitt. Diese Kriterien entsprechen somit denen des § 267 HGB für große Gesellschaften.

In Bezug auf die Rechtsform adressiert die neue Berichtspflicht Kapitalgesellschaften sowie diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften (analog der Regelung des § 264a HGB), wie zum Beispiel die GmbH & Co. KG. Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen werden unabhängig von ihrer Rechtsform von der CSRD erfasst, sofern sie die zuvor aufgeführten Größenmerkmale übersteigen.

So kommt eine aktuelle Studie des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees zum Ergebnis, dass in Deutschland ca. 15.000 Unternehmen von den neuen Berichtspflichten betroffen sein werden. Gemäß dem aktuell geltenden CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz müssen verglichen dazu momentan gerade einmal ca. 500 Unternehmen eine nicht-finanzielle Berichterstattung erstellen! 

Inhalte der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Im geänderten Artikel 19a Absatz 1 der Bilanzrichtlinie in der Fassung der CSRD heißt es zunächst etwas umständlich, dass die Unternehmen Informationen veröffentlichen müssen, „die für das Verständnis der nachhaltigkeitsrelevanten Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens erforderlich sind“. Diese Formulierung beschreibt den Grundsatz der sog. doppelten Wesentlichkeit, der die konzeptionelle Grundlage der Nachhaltigkeitsberichterstattung aus Sicht der EU-Kommission bildet. Die neue Berichtspflicht umfasst somit die Darstellung sowohl der Auswirkungen des Unternehmens auf sein Umfeld („inside-out“-Perspektive) als auch die Auswirkungen des Umfelds auf das Unternehmen („outside-in“-Perspektive).

Aber welche Informationen zur Nachhaltigkeit werden nun im Detail gefordert? Hier liefert Absatz 2 des Artikel 19a Aufschluss. Die Nachhaltigkeitsberichtserstattung soll demnach u.a. folgende Informationen enthalten:

  • Kurze Beschreibung von Geschäftsmodell und Strategie des Unternehmens

  • Beschreibung der Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens, sowie der Fortschritte, die es im Hinblick auf die Erreichung dieser Ziele erreicht hat

  • Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten

  • Beschreibung der Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens

  • Beschreibung der wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen, die aus der unternehmenseigenen Geschäftstätigkeit, der Produkte und Dienstleistungen, der Geschäftsbeziehungen sowie der Lieferketten resultieren, sowie die entsprechenden Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Behebung

  • Beschreibung der wichtigsten Risiken, denen das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist

  • Beschreibung der internen Analyseprozesse zur Identifikation der für das eigene Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsaspekte

Offensichtlich ist, dass insbesondere die neu in den Anwendungsbereich der CSRD fallenden Unternehmen vor großen Herausforderungen stehen. Denn es werden durchaus umfangreiche Informationen gefordert. Nach den grundsätzlichen Fragen bezüglich der Bedeutung von Nachhaltigkeitsthemen für das Geschäftsmodell und der Integration in die gesamte Unternehmensstrategie, ergibt sich in einem zweiten Schritt zudem die komplexe Aufgabe, die ökologischen und sozialen Auswirkungen messbar zu machen. Und schließlich stellt sich die Frage, wer all diese Informationen im Unternehmen liefern kann bzw. welche Personen bzw. sogar ganze Abteilungen zukünftig hier die Verantwortung übernehmen.

Ort der Offenlegung und Prüfungspflicht

Wo bisher das Wahlrecht bestand, die nachhaltigkeitsbezogenen Informationen in den Lagebericht zu integrieren oder in einem separaten nichtfinanziellen Bericht zusammenzufassen, sieht die neue CSRD künftig zwingend eine Verortung im Lagebericht vor. Dabei soll es aber keine Vorgabe geben, ob ein eigenes Kapitel „Nachhaltigkeitsbericht“ in den Lagebericht eingefügt wird oder die Nachhaltigkeitsinformationen an verschiedenen Stellen in die bestehenden Kapitel integriert werden. Durch die Nutzung eines separaten Berichts (wie bisher) sei nach Meinung der EU-Kommission die Verknüpfung entscheidungsrelevanter finanzieller Informationen mit solchen nichtfinanzieller Natur für potentielle Investoren beeinträchtigt. Daneben bestehen bislang teilweise unterschiedliche Offenlegungsfristen finanzieller und nichtfinanzieller Informationen, und damit unterschiedliche Verfügbarkeiten, was die gesamthafte Betrachtung der Unternehmensinformationen zusätzlich erschwert. Mit der neuen CSRD werden im Ergebnis damit zukünftig die finanzielle und die nichtfinanzielle Berichterstattung im Lagebericht auf gleicher Ebene stehen.

Mit der zwingenden Integration in den Lagebericht geht quasi auch die Einführung der Prüfungspflicht der Nachtragsberichterstattung durch den Abschlussprüfer einher – zunächst allerdings als Prüfung mit begrenzter Prüfungssicherheit. Gegenstand der Prüfung werden u.a. die Übereinstimmung der Angaben mit den gesetzlichen Anforderungen sowie die vom Unternehmen durchgeführten Analyseprozesse zur Identifikation der relevanten Informationen sein.

Ausblick

Der Zeitplan der EU-Kommission hinsichtlich des Inkrafttretens sowie der erstmaligen Anwendung ist durchaus ambitioniert. Die finale Version der CSRD soll im Idealfall bis Ende diesen Jahres, spätestens bis Mitte des Jahres 2022 verabschiedet werden. Die anschließende Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist bis Dezember 2022 vorgesehen. Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnen, soll die CSRD dann bereits Anwendung finden, sodass die Nachhaltigkeitsberichterstattung erstmals in den Jahresabschlüssen per 31. Dezember 2023 enthalten sein muss. Einzig für kapitalmarktorientierte KMU ist noch eine Schonfrist von drei Jahren geplant, sodass für diese Unternehmen die CSRD verpflichtend erst ab Januar 2026 anzuwenden ist.

Fazit

Nachhaltigkeit ist einer der Megatrends des 21. Jahrhunderts. Was noch vor einigen Jahren als „nice to have“ galt, wird heute zunehmend zum „must have“. Investoren, Geschäftspartner sowie die gesamte Gesellschaft fordern, dass Unternehmen Verantwortung für den ökologischen und sozialen Fußabdruck ihrer Geschäftsmodelle übernehmen, und auch darüber berichten. Präzisere gesetzliche Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie ein breiterer Anwendungsbereich im Rahmen der neuen CSRD flankieren somit letztlich nur diese Forderungen. Ein gewisser Nachdruck wird durch die vorgesehene Prüfungspflicht der Nachhaltigkeitsberichterstattung verliehen. Somit stehen die Unternehmen, die erstmals über nachhaltigkeitsbezogene Informationen berichten müssen und daher auch noch keine Erfahrung mit einer Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen besitzen, vor einer umfangreichen Aufgabe. Und die Vorbereitungszeit ist knapp.

In den Investorenberichten der DAX30 Unternehmen ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits fester Bestandteil und dient neben der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen auch als wichtiges Marketinginstrument. So liest man bspw.: „Den Strom für unsere Kraftwerke beziehen wir zu 100% aus erneuerbaren Energien“ oder „Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurde der CO2-Ausstoß entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette halbiert“ – also getreu dem Motto: „Tue Gutes, und rede darüber“. Vielleicht besteht genau darin die Chance für die vom Richtlinienentwurf betroffenen mittelständischen Unternehmen, die neuen Berichtspflichten in Unternehmenskommunikation, Image und Reputation umzumünzen.