Die Steuerpolitik der Großen Koalition

Am 9. April 2025 haben CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Trotz anfänglicher Zweifel aufgrund doch stark divergierender Vorstellungen gelang es den Verhandlern, ihren ambitionierten Zeitplan einzuhalten: Nur 45 Tage nach der Wahl stand die Einigung. Am 5. Mai wurde der Koalitionsvertrag schließlich unterzeichnet und am folgenden Tag Friedrich Merz zum zehnten Bundeskanzler gewählt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde der Kanzler erst im zweiten Wahlgang gewählt – ein deutliches Zeichen für die fragilen Mehrheitsverhältnisse der neuen Regierung. Besonders bemerkenswert ist, dass der Koalitionsvertrag ausdrücklich einen Finanzierungsvorbehalt für sämtliche Maßnahmen enthält. Zwar galt dieser Vorbehalt grundsätzlich schon immer für Koalitionsvereinbarungen, doch überrascht es, dass er diesmal explizit im Vertrag verankert wurde. Dies erweckt den Eindruck, dass die Verhandler möglichst schnell zu einem Ergebnis kommen wollten und zentrale Finanzierungsfragen bewusst in die Zukunft verschoben haben.

Maßnahmen im Überblick

Im Folgenden wird ein Überblick über die steuerlichen Eckpunkte des Koalitionsvertrags gegeben. Dabei werden Maßnahmen für Privatpersonen, Rentnerinnen und Rentner, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Familien und Immobilieneigentümer beleuchtet. Abschließend folgen die zentralen Vorhaben im Bereich der Unternehmensbesteuerung.

1. Privatpersonen

Die vielfach angekündigte Entlastung bei der Einkommensteuer für niedrige und mittlere Einkommen soll nun umgesetzt werden. Wozu der Koalitionsvertrag jedoch u. a. schweigt, ist die Erbschaftsteuer. Dies lässt sich damit erklären, dass sich die Positionen von SPD und CDU/CSU in den jeweiligen Wahlprogrammen bereits diametral entgegenstanden. Während die SPD eine stärkere Besteuerung von Spitzenvermögen anstrebte und konkret die Privilegierung großer Unternehmensvermögen reduzieren wollte, stand die Union derartigen Plänen ablehnend gegenüber. Auch die Einführung einer Vermögenssteuer wird im Koalitionsvertrag nicht weiter thematisiert.

2. Rente, Arbeitnehmer, Kinder

Zur Entlastung von Rentnern und Arbeitnehmern ist die Einführung einer sog. Aktivrente vorgesehen: Rentner sollen künftig bis zu EUR 2.000 Gehalt beziehen können, ohne dafür Steuern zu zahlen. Zudem ist die Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen und die Erhöhung der Pendlerpauschale geplant. Um Familien besser zu unterstützen, sollen der Kinderfreibetrag und das Kindergeld angeglichen werden und die Entlastung von Alleinerziehenden verbessert werden.

3. Immobilien

In puncto Immobilienbesteuerung ist eine Verbesserung der Absetzbarkeit der Kosten für energetische Sanierung im Rahmen der Erbschaftsteuer vorgesehen. Bei der Grunderwerbsteuer sind hingegen keine Änderungen geplant, weder eine Erhöhung des Freibetrags noch Beschränkungen der sog. Share Deals, bei denen durch Übertragung von Unternehmensanteilen mittelbar Grundstücke ohne Grunderwerbsteuer übertragen werden. Zudem bleiben Gewinne aus Immobilienveräußerungen nach einer Haltedauer von zehn Jahren auch weiterhin steuerfrei.

Unternehmensbesteuerung

Es ist geplant eine Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge einzuführen, die Forschungszulage durch höhere Fördersätze und eine erweiterte Bemessungsgrundlage zu stärken und das Antragsverfahren zu vereinfachen. Zudem soll der Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer von 200 % auf 280 % angehoben und die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7 % gesenkt werden. Folgende Maßnahmen sind geplant:

1. Investitions-Booster

Der Koalitionsvertrag sieht für die Jahre 2025, 2026 und 2027 eine degressive Abschreibung i. H. v. 30 % auf Ausrüstungsinvestitionen vor. Diese Maßnahme mit dem vielversprechenden Namen „Investitions-Booster“, soll für Unternehmen Anreize schaffen, verstärkt in Ausrüstungsgegenstände zu investieren. Die degressive Abschreibung ist ein bewährtes Instrument, das bereits in den vergangenen Jahren Anwendung fand – etwa für Anschaffungen im Zeitraum vom 31. Dezember 2019 bis zum 1. Januar 2023 mit einem Satz von 25 % sowie vom 31. März 2024 bis zum 1. Januar 2025 mit 20 %. Die nun vorgesehene Regelung stellt somit eine Fortführung und leichte Ausweitung der bisherigen Abschreibungsmöglichkeiten dar. Im Unterschied zur gescheiterten Klimaschutz-Investitionsprämie der Vorgängerregierung, die ausschließlich Investitionen zur Steigerung der betrieblichen Energieeffizienz und eine Bestätigung durch einen Energieberater vorsah, verzichtet der Koalitionsvertrag auf konkrete Anforderungen an die Investitionen. Entsprechend dürfte der Begriff der Ausrüstungsgegenstände eher weit auszulegen sein. Nüchtern betrachtet ist der „Investitions-Booster“ lediglich eine Fortsetzung der degressiven Abschreibung, immerhin mit einer Erhöhung auf 30 %. Fraglich ist, welche Wirkungskraft der „Booster“ entfaltet. Oftmals ziehen Unternehmen Investitionen nur im Falle einer zeitlich beschränkten degressiven Abschreibung vor. Mit Blick auf die vergangenen Jahre könnte dieser Effekt jedoch weitgehend verbraucht sein. Gerade in Zeiten wie diesen ist ein Aspekt dennoch positiv hervorzuheben: Die Regelung ist zumindest einfach und unbürokratisch.

2. Kapitalgesellschaften – Körperschaftsteuersenkung

Die Körperschaftsteuer soll schrittweise um insgesamt fünf Prozentpunkte, beginnend ab dem 1. Januar 2028, auf 10 % gesenkt werden, wobei der Steuersatz jedes Jahr um einen Prozentpunkt gemindert wird. Hier hatte man sich im Vorfeld sicherlich deutlich mehr versprochen. Dennoch geht von dieser Maßnahme ein gewisses Signal aus, insbesondere im internationalen Vergleich, gerade weil in Deutschland derzeit einer der weltweit höchsten Unternehmenssteuersätze zur Anwendung kommt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die sofort einsetzende degressive Abschreibung und die im Fortgang angekündigte Senkung des Körperschaftsteuersatzes geeignet sind gewisse Wachstumsimpulse zu setzen. Zugleich muss man konstatieren, dass die Koalitionäre damit weit hinter den Forderungen der Wirtschaft geblieben sind, in Deutschland ein international wettbewerbsfähiges Steuerrecht auf den Weg zu bringen, von einer grundlegenden und längst überfälligen Unternehmenssteuerreform ganz abgesehen.

3. Personengesellschaften – Rechtsformneutrale Besteuerung

Personengesellschaften profitieren von der beschriebenen Körperschaftsteuersenkung nicht. Wie die im Koalitionsvertrag verankerte Absicht einer weitgehend rechtsformneutralen Besteuerung tatsächlich realisiert wird, bleibt abzuwarten. Konkret wird ausgeführt, dass das Optionsmodell und die Thesaurierungsbegünstigung weiter verbessert werden sollen. Weiter soll geprüft werden, ob ab 2027 die gewerblichen Einkünfte neu gegründeter Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform in den Geltungsbereich der Körperschaftsteuer fallen könnten. Weitere Ausführungen, gar konkrete Maßnahmen, finden sich jedoch nicht.

Fazit und Wertung

Der Koalitionsvertrag beinhaltet weder eine grundlegende Reform noch wirklich viel an konkreten Maßnahmen. Letztlich reduzieren sich die steuerpolitischen Vorhaben auf wenige Maßnahmen, die punktuell ihre Wirkung entfalten können. Damit wurde unserer Meinung nach eine große Chance vertan, das deutsche Unternehmenssteuerrecht grundlegend zu reformieren, international wettbewerbsfähig zu machen und auf diese Weise den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Dabei lagen bereits konkrete Konzepte auf dem Tisch – etwa die Empfehlungen der beiden Expertenkommissionen zur „Bürgernahen Einkommensteuer“ und zur „Vereinfachten Unternehmensbesteuerung“ unter der Leitung von Professor Rudolf Mellinghoff bzw. Professor Wolfgang Schön oder die Reformvorschläge des BDI zum Unternehmenssteuerrecht. Bleibt zu hoffen, dass diese nicht in der Schublade verschwinden.