Heutige mündliche Verhandlung des BFH zur umsatzsteuerlichen Organschaft mit Tochterpersonengesellschaft

Heute, am 16.03.2023, verhandelte der V. Senat des BFH im Ergebnis über eine weitere Ausweitung der umsatzsteuerlichen Organschaft auf Tochterpersonengesellschaften und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen.

Das Ergebnis vorneweg. Es würde mich überraschen, wenn der V. Senat aufgrund der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des EuGH und dem Verlauf der heutigen mündlichen Verhandlung an seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 2015 festhielte. Die Entscheidung darf daher mit Spannung erwartet werden.

Ende 2015 entschied der V. Senat (Urt. v. 02.12.2012 V R 25/13) im Wege einer Rechtsprechungsänderung, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein könne. Allerdings sei dies nur unter der sehr engen Voraussetzung möglich, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen seien, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Die Finanzverwaltung schloss sich diesem Ergebnis an. Damit konnten durch die Beteiligung eines Dritten die Rechtsfolgen einer Organschaft, die regelmäßig nicht motiviert sind, relativ einfach vermieden werden. Der XI. Senat des BFH und Finanzgerichte hatten an diesem engen Verständnis Zweifel und riefen insoweit den EuGH an. Am 15.04.2021 entschied der EuGH, dass ein solches restriktives Verständnis im Widerspruch zu Art. 11 MwStSystRL stünde.

Insoweit dürfte es die Fachwelt eher wenig überraschen, wenn der V. Senat seine bisherige einschränkende Sichtweise aufgäbe.

Die Fachwelt spekulierte jedoch bereits, ob - ähnlich wie in den Bauträgerfällen - Steuerpflichtige von einer solchen Rechtsprechungsänderung dahingehend profitieren könnten, dass weder Organträger noch Organgesellschaft Steuerschuldner wären. Diese Gefahr dürfte für den Fiskus durch den BFH gebannt werden. Über die Grundsätze von Treu und Glauben und der Drittwirkung der Steuerfestsetzung (§ 166 AO) scheint der BFH verhindern zu können, dass sich der Organträger die Umsatzsteuer von dem Finanzamt für die steuerpflichtigen Umsätze seiner Organgesellschaft erstatten lässt, wenn die entsprechende Steuer nicht mehr rechtzeitig gegen die Organgesellschaft festgesetzt werden kann. Ein Ergebnis, dass dem redlichen Rechtsempfinden entsprechen dürfte und gesetzestechnisch begründbar ist.

Spannend könnten m. E. aber die Fälle werden in denen beim Finanzamt Erstattungsanträge durch einer der beteiligten Gesellschaften eingehen, ohne korrespondierenden Antrag der anderen Gesellschaft, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem das Finanzamt gegen die andere Gesellschaft noch einen Nachzahlungsbescheid erlassen könnte. Sollte dies möglich sein, ergeben sich daraus auch zivilrechtliche Folgefragen.

Für alle Liebhaber der Umsatzsteuer bleibt die Spannung erhalten. Und wie man aus gut informierten Kreisen hören kann, dürfte nach Ergehen der beim BFH noch anhängigen Verfahren auch der Gesetzgeber mit seiner Revision des Organschaftsrechts fortfahren. Die diesbezüglichen Überlegungen klingen sehr vielversprechend und sollten schnell auf den Weg gebracht werden.

Sollte es hingegen zu keiner zügigen gesetzlichen Reformierung kommen, wäre es ganz wichtig, dass die Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen sehr lange Übergangsvorschriften einräumt, um sich auf das neue Verständnis einzustellen. 

Fortsetzung folgt…