Paukenschlag aus Luxemburg! Mit Urteil vom 22.11.2022 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die voraussetzungslose Möglichkeit der Einsichtnahme in das Transparenzregister für die Öffentlichkeit gegen die EU-Grundrechtecharta verstößt. Da die gegenwärtige Rechtslage in Deutschland Jedermann eine solche Einsichtnahme in die personenbezogenen Daten wirtschaftlich Berechtigter gewährt, wird die EuGH-Entscheidung zu einer veränderten Rechtslage in Deutschland führen müssen.
(Nahezu) alle Gesellschaften registerpflichtig
Es dürfte sich zwischenzeitlich herumgesprochen haben, dass nahezu sämtliche Gesellschaften, Stiftungen, Vereine etc. mit Sitz in Deutschland (teils auch ausländische) gesetzlich verpflichtet sind, ihre wirtschaftlich Berechtigten mit deren personenbezogenen Daten (Name, sämtliche Vornamen, Geburtsdatum, Wohnort, sämtliche Staatsangehörigkeiten, Art und Umfang der wirtschaftlichen Berechtigung) dem Transparenzregister mitzuteilen sind. Wirtschaftlich Berechtige sind die natürlichen Personen, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle eine Rechtseinheit steht.
Einsichtnahme durch Jedermann möglich
Seit Anfang des Jahres 2020 kann Jedermann als „Mitglied der Öffentlichkeit“ (so der sperrige Begriff im Gesetz) in die vorgenannten personenbezogenen Daten Einsicht nehmen; lediglich der Tag des Geburtsdatums und die Angabe des Wohnorts werden geheim gehalten. Erforderlich ist dafür zwar eine Registrierung im Online-System des Bundesanzeiger Verlags als der registerführenden Stelle. Eines wie auch immer gearteten berechtigten Interesses bedarf es aber ausdrücklich (anders als früher) nicht mehr.
Kritik aus der Praxis
Die beschriebene Einsichtnahmemöglichkeit ist rasch in die Kritik geraten, da sie unter Datenschutzgesichtspunkten als unverhältnismäßig angesehen wird. Bislang konnte auch eine gesetzlich vorgesehene Beschränkung der Einsichtnahme keine Abhilfe leisten, weil diese an sehr hohe Voraussetzungen (z.B. Darlegung einer konkreten Gefahr künftiger Straftaten gegenüber wirtschaftlich Berechtigten) gebunden ist.
EuGH hält Grundrechte hoch!
In seiner aktuellen Entscheidung stellt der EuGH fest, dass die entsprechenden Bestimmungen der sog. 5. Geldwäscherichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/843) gegen das europäische Recht verstoßen und damit unwirksam sind, soweit sie den freien Zugang zum Transparenzregister durch die Öffentlichkeit erlauben.
Der EuGH begründet seine Entscheidung damit, dass die voraussetzungslose Einsichtnahme in das Transparenzregister für Jedermann einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und den Schutz personenbezogener Daten darstellt - also wesentliche Elemente des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wie es auch unser Grundgesetz garantiert. Die Einsicht in die oben genannten personenbezogenen Daten sind laut EuGH für die Zwecke der Geldwäschebekämpfung nicht erforderlich, soweit sie Jedermann einsehen können soll.
EuGH fordert klare Formulierungen ein!
An der Entscheidung ist überdies interessant, dass der EuGH die Europäische Kommission auffordert, eine einheitliche, europaweit geltende Definition des Begriffs des „berechtigten Interesses“ zu regeln, sofern ein Zugang der Öffentlichkeit zu Daten des Transparenzregisters auf diesem Wege kanalisiert werden sollte.