Vorsicht - Das Finanzamt liest mit!
Bereits am 30.04.2025 hat der BFH einen Beschluss zur Vorlagepflicht von E-Mails als Handels- und Geschäftsbriefe gefasst, der am 18. September 2025 veröffentlicht wurde (BFH XI R 15/23).
E-Mails qualifizieren demnach grundsätzlich als Handels- und Geschäftsbriefe und sind entsprechend aufbewahrungspflichtig, soweit sie sich auf Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts beziehen. Nach dem Urteil ausdrücklich aufbewahrungspflichtig sind dabei auch E-Mails, die sich auf die Verrechnungspreisdokumentation des Steuerpflichtigen beziehen. Das Finanzamt kann dabei im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung grundsätzlich die Vorlage sämtlicher E-Mails verlangen, soweit diese steuerlich relevant und aufbewahrungspflichtig sind und es sich nicht um rein firmeninterne Kommunikation handelt. Im Beschluss wurde aus diesem Grund die Aufforderung zur Vorlage eines Gesamtjournals von E-Mails mit Auflistung aller, auch steuerlich nicht relevanter E-Mails, als rechtswidrig eingestuft. Die Entscheidung, welche E-Mails als steuerlich relevant klassifiziert werden, obliegt dabei dem Steuerpflichtigen im Rahmen seines Erstqualifikationsrechts.
Es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung von der Möglichkeit, über die Anforderung von E-Mail-Korrespondenz des Steuerpflichtigen weitere Erkenntnisse zu gewinnen, mehr und mehr Gebrauch macht, um konzerninterne Transaktionen mit Beteiligung deutscher Steuerpflichtiger zu überprüfen oder in Frage zu stellen. Da die nachträgliche Überprüfung, ob eine E-Mail steuerliche Relevanz hat oder nicht, zeit- und kostenintensiv sein kann, ist zu empfehlen, bereits bei der Aufbewahrung von E-Mails eine Klassifikation nach steuerlicher Relevanz vorzunehmen. Weitere Diskussionen um die steuerliche Relevanz im Rahmen einer „Zweitklassifikation“ seitens der Finanzverwaltung werden vermutlich nicht ausbleiben.
Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit der Anforderung der gesamten steuerlich relevanten E-Mail-Korrespondenz ist zudem zu erwähnen, dass dem Vorlageverlangen der E-Mail-Korrespondenz die Sichtung der als unzureichend eingestuften Verrechnungspreisdokumentation vorausgegangen war, die sich in einer kurzen Beschreibung der konzerninternen vertraglichen Vereinbarung und einer tabellarischen Aufstellung der angefallenen Kosten erschöpfte und es der Betriebsprüfung nicht ermöglichte, die Besteuerungsgrundlagen des Steuerpflichtigen nachzuprüfen. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass bereits die Verrechnungspreisdokumentation so hinreichend konkret und aussagekräftig ist, dass die Anforderung von zusätzlicher E-Mail-Korrespondenz möglicherweise gar nicht erst erforderlich wird.
Hintergrund des Urteils
Dem BFH-Beschluss vorausgegangen war ein Urteil des Finanzgerichts Hamburg, dem folgender Tatbestand zur Entscheidung vorgelegt worden war:
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Streitjahre forderte die Finanzverwaltung die Vorlage von elektronisch empfangenen und versandten Handels- und Geschäftspapieren sowie sonstigen Unterlagen, einschließlich eines elektronischen Gesamtjournals, von der Klägerin an. Hintergrund war die Überprüfung der steuerlichen Relevanz der E-Mail-Kommunikation im Zusammenhang mit dem sogenannten Sales and Marketing Services Agreement zwischen der Klägerin und einer Konzerngesellschaft. Die Finanzverwaltung wollte insbesondere die vollständige steuerlich relevante E-Mail-Korrespondenz einsehen, um die Verrechnungspreisdokumentation und die angewandte Kostenaufschlagsmethode nachvollziehen zu können. Die angeforderten Unterlagen sollten als Leistungsnachweis dienen und die Einordnung der Gesellschaft nach ihren Risiken ermöglichen, was für die Anwendung der Cost-Plus-Methode relevant ist. Nicht verlangt wurden private E-Mails der Mitarbeitenden sowie rein firmeninterne Kommunikation. Die Klägerin legte gegen das Vorlageverlangen Einspruch ein und argumentierte unter anderem mit fehlender Bestimmtheit und mangelnder Rechtsgrundlage für die Anforderung eines Gesamtjournals. Die Finanzverwaltung wies den Einspruch zurück und begründete, dass das Agreement ein Handelsgeschäft darstelle und daher alle die Durchführung betreffenden E-Mails aufbewahrungs- und vorlagepflichtig seien. Die Daten sollten zudem für Netzwerk- und Funktionsanalysen sowie zur Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen dienen. Die Klage richtete sich gegen die Rechtmäßigkeit und den Umfang des Vorlageverlangens der Finanzverwaltung.
Bereits das Finanzgericht Hamburg hatte das Vorlageverlangen der Finanzverwaltung als zulässig eingestuft, aber auf steuerlich relevante Sachverhalte beschränkt und dabei abgelehnt, dass ein Gesamtjournal aller E-Mails seitens des Steuerpflichtigen vorzulegen ist. Der BFH hat nun in seiner Entscheidung dem Finanzgericht Hamburg vollumfänglich zugestimmt.
