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Steuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs an GmbH-Anteilen

Der Begriff „Nießbrauch“ klingt für viele zunächst nach Juristendeutsch. Tatsächlich steckt dahinter ein einfaches Prinzip: Der Nießbrauch erlaubt einer Person, die Erträge einer Sache oder eines Rechts zu erhalten – ohne selbst Eigentümer zu sein.


Wird ein Nießbrauch an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft – etwa an einer GmbH – bestellt, stehen dem Nießbraucher also, soweit der Nießbrauch reicht, die Gewinnausschüttungen zu. Der eigentliche Anteilseigner bleibt dagegen grundsätzlich der „Stammrechtsinhaber“. Dieses Konstrukt ermöglicht eine Trennung von Eigentum und Ertrag – mit teils erheblichen steuerlichen Effekten.

Gründe für den Nießbrauch an GmbH-Anteilen

Die Motive für eine solche Gestaltung sind vielfältig und meist wirtschaftlich oder familiär geprägt:


1. Steuerliche Entlastung

Privatpersonen mit hohen Einkommen können mittels eines sog. Zuwendungsnießbrauchs die Gewinnausschüttungen auf Angehörige mit niedrigerem Steuersatz übertragen – etwa den Ehepartner oder erwachsene Kinder. Das senkt die Steuerlast der Familie insgesamt.


2. Vorweggenommene Erbfolge

Vermögen kann bereits zu Lebzeiten sinnvoll auf die nächste Generation übergehen, während die Eltern die Kontrolle behalten. Der Nießbrauch dient hier als „Brücke“ zwischen den Generationen.


3. Altersvorsorge

Wird bei der Anteilsübertragung ein Nießbrauch zugunsten der Eltern vorbehalten (sog. Vorbehaltsnießbrauch), fließen die Erträge weiter an sie – ein wichtiger Baustein der finanziellen Absicherung im Ruhestand.


4. Gesellschaftliche Einflussnahme

Je nach Ausgestaltung kann der Nießbraucher auch Stimmrechte behalten oder erhalten. So bleibt die Einflussmöglichkeit auf das Unternehmen erhalten, auch wenn die Anteile formal schon weitergegeben sind.

Wer versteuert die Gewinne?

Aus steuerlicher Sicht stellt sich die entscheidende Frage: Wem werden die Erträge zugerechnet – dem Eigentümer der GmbH-Anteile oder dem Nießbraucher? Nach § 39 der Abgabenordnung (AO) gilt: Maßgeblich ist, wer wirtschaftlich die Erträge erhält bzw. wer die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte innehat und die Chancen und Risiken trägt.


 Reiner Ertragsnießbrauch (Nießbraucher ist nur zur Einziehung des Auszahlungsanspruchs berechtigt): Umfasst der Nießbrauch nur die Gewinnbezugsrechte, erzielt der zivilrechtliche Eigentümer und nicht der Nießbrauchsberechtigte die Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG). Der wirtschaftlich Berechtigte der Ausschüttung (Nießbraucher) und derjenige, der die Ausschüttung besteuert, fallen demnach auseinander.


 Umfassender Nießbrauch (Nießbraucher hat auch Vermögens- und Mitverwaltungsrechte): Anders liegt der Fall, wenn der Nießbrauch auch Stimmrechte und weitere Gesellschafterrechte, sog. Vermögens- und Mitverwaltungsrechte, miteinbezieht. Dies kann z. B. aufgrund einer umfassenden Stimmrechtsvollmacht erfolgen. Hat der Nießbrauchsberechtigte somit eine Rechtsposition inne, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und ihn insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt, gilt nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 14. Februar 2022 – VIII R 29/18 und VIII R 30/18) der Nießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer. Dieser Ansicht hat sich auch jüngst die Finanzverwaltung in ihrem Schreiben betreffend Einzelfragen zur Abgeltungsteuer angeschlossen. Ist der Nießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen, werden ihm das gesamte Beteiligungsrecht und damit auch Ausschüttungen steuerlich zugerechnet. Wirtschaftlich Berechtigter und Steuerpflichtiger der Ausschüttung ist jeweils der Nießbraucher.

Gestaltung mit Bedacht

Der Nießbrauch an GmbH-Anteilen kann ein äußerst nützliches und flexibles Instrument sein – insbesondere in der Familienvermögensplanung. Er ermöglicht die Einkünfteverlagerung, sichert die Altersvorsorge und bereitet eine reibungslose Unternehmensnachfolge vor.


Doch der steuerliche Erfolg hängt an der konkreten Ausgestaltung des Nießbrauchs ab. In der Gestaltung des Nießbrauchs ist daher darauf zu achten, dass dieser nicht nur die Gewinnbezugsrechte umfasst, sondern durch Übergang der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte oder durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht, der Nießbrauchsberechtigte eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und ihn insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt.


Die wichtigsten Thesen

  • Der Nießbrauch trennt Eigentum und Ertrag – und eröffnet Gestaltungsspielräume.

  • Hauptziele sind Einkünfteverlagerung, Altersvorsorge und Nachfolgeregelung.

  • Fehler in der Umsetzung führen zur Einkünftezurechnung beim Eigentümer – mit steuerlichen Nachteilen.

  • Wer den Nießbrauch sorgfältig plant, kann Vermögen steuereffizient übertragen und generationenübergreifend sichern.