Wachstumschancengesetz: Verpasste Chance für die Filmbranche

Die Filmbranche in Deutschland sieht sich seit Längerem mit einer Reihe an steuerlichen Vorschriften konfrontiert, welche - neben den Nachwirkungen der Corona-Pandemie - einen normalen Geschäftsbetrieb erschweren und zu ungewollten Mehrbelastungen bis hin zur Existenzbedrohung führen. Da war es ein Lichtblick, dass der Referentenentwurf für ein „Wachstumschancengesetz“ vom 6. Juli 2023 umfangreiche Steuererleichterungen im Bereich der Verlustnutzung vorsah, welche insbesondere Filmproduktionsgesellschaften zugutegekommen wären. Diese Entschärfungen wurden in der überarbeiteten Gesetzesfassung am 17. November 2023 nun wieder deutlich abgeschwächt. Eine Zustimmung des Bundesrates steht noch aus, womit auch eine gänzliche Streichung der ursprünglich vorgesehenen Steuererleichterungen im Raum steht.

Das Problem der Mindestbesteuerung bei Filmproduktionsgesellschaften

Das Geschäftsmodell „Film“ ist  in besonderem Maße von einer hohen Volatilität des Erfolgs einzelner Projekte geprägt. Insbesondere (stand-alone) Filmproduktionsgesellschaften waren daher in der Vergangenheit sehr häufig mit den Folgen der sogenannten Mindestbesteuerung konfrontiert. Diese kann zu ungerechtfertigten steuerlichen Ergebnissen führen, sei es in Form von zu hohen Steuersätzen, der Nichtnutzbarkeit von Verlustvorträgen oder gar der Besteuerung von Verlusten. Hintergrund ist die Kombination aus zwei steuerlichen Sondervorschriften:

So untersagt § 5 Abs. 2 EStG Eigenproduktionen als selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zu aktivieren, d. h. die Herstellungskosten mindern den steuerlichen Gewinn unmittelbar im Zeitpunkt ihrer Entstehung. Allerdings dauert die Herstellungsphase meist ein Jahr, je nach Komplexität des Drehs und der Postproduktion. Kommen weitere Verzögerungen hinzu, kann die Herstellung auch einen deutlich längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Der Umsatz aus der Auswertung der Eigenproduktion kann nach den Bilanzierungsvorschriften beim Hersteller damit in der Regel erst mit Auslieferung des (weitestgehend fertigen) Materials ergebniswirksam gezeigt werden. Im Ergebnis führt dies zu einem zeitlichen Auseinanderfallen von Umsatz und eigentlich korrespondierenden Aufwendungen. Konkret entstehen Verluste während der Herstellungsphase und Gewinne während der Verwertungsphase. Umso wichtiger ist es, dass die entsprechen Verluste auch nutzbar gemacht werden können.

Derzeitige Rechtslage zur Verlustverrechnung

Vom Grundsatz her können Verluste zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden, um mit künftigen Gewinnen verrechnet zu werden. Die Vorschrift der sog. Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG) führt allerdings dazu, dass Verlustvorträge aus der Herstellungsphase nicht unmittelbar in voller Höhe mit den teils hohen Erlösen der ersten Verwertungsphase verrechnet werden dürfen, ein wesentlicher Anteil der Verluste muss weiter vorgetragen werden. Nach derzeitig gültigem Rechtsstand ist bis zu einem Betrag von EUR 1 Mio. pro Jahr eine Verrechnung von Verlusten unbegrenzt möglich. Der EUR 1 Mio. übersteigenden Betrag kann demgegenüber nur zu 60 % des verbleibenden Gesamtbetrags der Einkünfte verrechnet werden. Verbleibende Verluste müssen in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Diese Verluste drohen jedoch als „finale Verluste“ ungenutzt zu bleiben, da in der zweiten Verwertungsphase regelmäßig keine ausreichenden Erlöse anfallen und somit eine Verlustnutzung unmöglich wird. Diese (projektbezogenen) ungenutzten Verluste können daher nur mit anderen Projekten verrechnet werden.

Sofern eine Produktionsgesellschaft stetig und in selbem Umfang produziert, ist eine Querverrechnung der Verluste von Projekten in der Verwertungsphase mit Projekten in der Herstellungsphase also problemlos möglich. Sofern allerdings Schwankungen im Produktionsbetrieb auftreten, sei es durch einen Produktmix an Eigen- und Auftragsproduktionen, durch großvolumige Eigenproduktionen, durch Verzögerungen im Produktionsablauf oder durch Entwicklungsjahre, so entstehen Verlust- und Gewinnperioden. Dies führt in die Mindestbesteuerung und demnach zu einer Versteuerung von „Scheingewinnen“.

An einem Zahlenbeispiel verdeutlicht stellt sich diese Problematik im Falle einer Filmproduktions-GmbH, welche in Jahr 1 eine Eigenproduktion herstellt mit Produktionskosten von EUR 10 Mio. und diese Produktion mit EUR 11 Mio. Umsatz in Jahr 2 auswertet, wie folgt dar. (siehe Grafik)

Das Zahlenbeispiel verdeutlicht, dass nicht der tatsächliche Gewinn der Produktion (EUR 1 Mio.) versteuert wurde, sondern ein fiktiver Gewinn von EUR 4 Mio. Verluste in Höhe von EUR 3 Mio. konnten nicht genutzt werden und werden als Verrechnungspotential in die Zukunft vorgetragen.

In der Praxis kommt es daher immer wieder vor, dass Filmproduktionsgesellschaften hohe Verlustvorträge anhäufen und diese nicht nutzen können oder wollen, da die drohende Steuerlast den (meist überschaubaren) Gewinn aus der Produktion übersteigt, wie auch im obigem Beispiel. Die Folge sind Projektverschiebungen, komplizierte und rechtsunsichere Konstrukte zur Umgehung dieser Folgen oder die Zahlung von Steuern trotz vorhandener Verlustvorträge.

Die Regelungen im Referentenentwurf

Auch die durch die Corona-Entlastungspakete initiierten Änderungen im Bereich der Verlustverrechnung brachten hier keine bedeutende Verbesserung, da im Gegensatz zum Verlustrücktrag – der Verlustvortrag nicht angepasst wurde. Abhilfe sollte nun das Wachstumschancengesetz schaffen:

Konkret sollten Verluste dauerhaft bis zu einem Betrag von 10 Mio. EUR auf die nun drei vorangegangen Veranlagungszeiträume (statt einem Jahr bzw. nach den Corona-Steuerhilfegesetzte zwei Jahre) zurückgetragen werden und dort mit angefallenen, bereits besteuerten Gewinnen verrechnet werden können. Der Verlustrücktrag gilt dabei weiterhin nur für die Einkommensteuer bzw. die Körperschaftsteuer, d. h. gewerbesteuerliche Verluste können nicht zurückgetragen werden. Deutlich interessanter ist daher die Verlustvortragsverrechnung.

Nach dem Referentenentwurf sollte die Verrechnung eines steuerlichen Verlustvortrags in den Veranlagungszeiträumen 2024 bis 2027 nun uneingeschränkt möglich sein. Zum Veranlagungszeitraum 2028 soll die Mindestbesteuerung wieder eingesetzt werden, nun aber mit einem deutlich angehobenem Sockelbetrag in Höhe von EUR 10 Mio. EUR (statt bisher EUR 1 Mio.). Angewendet auf unser Beispiel führt dies – nach Ablauf der Aufhebung der Mindestbesteuerung im Veranlagungszeitraum 2028 – zur vollen Verlustnutzung der Anlaufverluste aus Jahr 1 in Jahr 2 der Auswertung und zur Besteuerung des tatsächlichen Gewinns der Produktion. (siehe Grafik)

Die Regelungen im Regierungsentwurf

Entsprechend dem Beispiel würde die Gesetzesänderung ein ausreichend hohes Verrechnungspotential für den Großteil der deutschen Eigenproduktionen bieten und eröffnet dazu die Chance, aufgelaufene Verlustvorträge in einem absehbaren Zeitraum abzubauen. Diese begrüßenswerte Änderung der Mindestbesteuerung stieß leider auf deutliche Ablehnung des Bundesrats, woraufhin der Bundestag in einem angepassten Gesetzesentwurf deutlich zurück gerudert ist. Während die Vorschläge betreffend des Verlustrücktrags unverändert blieben, sind die Möglichkeiten der Verlustvortragsverrechnung im aktuellen Gesetzesentwurf nun deutlich restriktiver:

Tatsächlich soll es gemäß dem aktuellem Gesetzesentwurf nur für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 zu einer Anhebung des Verlustverrechnungssatzes von 60 % auf 75 % kommen, während sowohl die zeitweise Aussetzung der Mindestbesteuerung als auch eine Anhebung des Sockelbetrags gänzlich gestrichen wurden. Materiell hilft diese Maßnahme den betroffenen Unternehmen wenig, wie unser Zahlenbeispiel verdeutlicht – es kommt zu einer Steuerlast, die beinahe den gesamten Deckungsbeitrag der Produktion verbraucht. (siehe Grafik)

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Form der Bundesrat dem Gesetz zustimmen wird. Dieser hat am 24. November 2023 den Vermittlungsausschuss angerufen. Jedoch bleibt nur wenig Hoffnung, dass sich hinsichtlich der Verlustverrechnung noch wesentliche Änderungen ergeben, da die deutlich entschärften Erleichterungen bereits auf die Intervention des Bundesrats zurückzuführen ist. Die Regelungen des Wachstumschancengesetzes, sobald verabschiedet, werden aller Voraussicht nach rückwirkend zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.